Trotz starker Meinungsverschiedenheiten beim Thema Menschenrechte haben sich EU und Arabische Liga auf eine engere Zusammenarbeit verständigt. Zum Abschluss des ersten gemeinsamen Gipfeltreffens im ägyptischen Badeort Scharm el Scheich hiess es am Montag, mit einer vertieften strategischen Partnerschaft solle eine «neue Ära der Kooperation und Koordination» eingeleitet werden.
Bei der Abschlusspressekonferenz des Gipfels kam es jedoch auf offener Bühne zu einem Eklat. Auf die Frage, ob sich Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi bewusst sei, dass die EU mit der Menschenrechtslage in seinem Land nicht einverstanden sei, ergriff der Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Abul Ghait, das Wort. «Nicht einer der Anwesenden» habe Unzufriedenheit mit der Menschenrechtslage ausgedrückt, sagte er.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker musste sich danach regelrecht das Wort erkämpfen, um klarzustellen, dass dies sehr wohl der Fall gewesen sei. «Einen Moment", rief Juncker. «Es stimmt nicht, dass wir nicht über Menschenrechte gesprochen haben.» Er selbst habe das Problem bereits in seinem ersten Redebeitrag erwähnt.
Viele arabische Länder stehen wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik. Unter Führung des früheren Armeechefs Al-Sisi geht zum Beispiel das Gipfel-Gastgeberland Ägypten mit harter Hand gegen Kritiker vor. Tausende Menschen sitzen aus politischen Gründen in Haft, die Meinungsfreiheit ist massiv eingeschränkt.
Al-Sisi rechtfertigte seine Politik mit Terrorakten im Land. Für Europa sei es das Wichtigste, Wohlstand zu schaffen, sagte er. Für sein Land habe hingegen Vorrang, einen Kollaps wie in anderen Staaten der Region zu verhindern. Schon ein einziger Terrorakt könne etwa den für den Tourismus wichtigen Badeort Scharm el Scheich in eine Geisterstadt verwandeln. Al-Sisi hatte die EU bereits zu Beginn des Treffens aufgerufen, den Kampf gegen den Terror zu verstärken.
EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte, als enge Nachbarn hätten EU und arabische Welt keine Alternative zur Zusammenarbeit. Beide Seiten einigten sich auf regelmässige Gipfel. Das nächste Treffen soll allerdings erst 2022 in Brüssel stattfinden.
Die Abschlusserklärung bleibt ansonsten allgemein. Umstrittene Themen werden nicht oder nur am Rande erwähnt.
So konnte die EU beispielsweise nicht durchsetzen, dass das internationale Atomabkommen mit dem Iran als Beitrag zur Eindämmung der Weiterverbreitung von Nuklearwaffen erwähnt wird. Vor allem die sunnitisch regierten Golfstaaten lehnen wie die USA den Vertrag ab, weil sie dem schiitischen Iran nicht über den Weg trauen und ihm eine aggressive Politik vorwerfen. Mit dem Abkommen wurde ein Abbau von Wirtschaftssanktionen vereinbart, wenn Teheran im Gegenzug sein Atomprogramm einstellt.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel rief die arabischen Staaten am Rande des Gipfels auf, gemeinsam mit der EU auf eine politischen Wandel im Bürgerkriegsland Syrien zu drängen. Angesichts von sechs Millionen Syrern, die das Land im Laufe des Konflikts verlassen hätten, brauche es einen «politischen Veränderungsprozess", sagte sie.
Syriens Mitgliedschaft in der Arabischen Liga ist seit 2011 ausgesetzt. Zuletzt war jedoch eine Diskussion entbrannt, das Land wieder aufzunehmen. Europa macht Assad für schwere Menschenrechtsverbrechen verantwortlich und lehnt eine Annäherung ab. Syriens Regierungstruppen hatten in den vergangenen Monaten grosse Teile des Bürgerkriegslandes wieder unter Kontrolle gebracht.
In Scharm el Scheich trafen sich rund 50 Könige, Emire, Präsidenten und Regierungsvertreter unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen. Als prominentester europäischer Vertreter blieb Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dem Gipfel fern. Auch Katars Emir Tamim erschien wegen diplomatischer Verstimmungen nicht. Ägypten gehört zu den arabischen Ländern, die eine Blockade über das Emirat verhängt haben.
Die Erwartungen an den Gipfel waren gering gewesen. Juncker sah das Treffen als solches schon als Botschaft. Die EU will ihre Zusammenarbeit mit den Nachbarn verstärken, etwa um die illegale Migration bekämpfen zu können. Merkel versprach sich von dem Treffen auch eine stärkere europäische Position in den globalen Konflikten mit den USA, China und Russland.