Sie kommen wegen der günstigen Lebensmittel. Und nebenbei haben Schweizer Einkaufstouristen Deutschland als Gratis-Mülldeponie entdeckt: Sie schleppen tonnenweise Abfall von zu Hause ins Shopping-Paradies und entsorgen ihn illegal bei unseren Nachbarn. Laut Karin Wagner vom Ordnungsamt Jestetten (D) wird das Littering der sauberen Schweizer zum immer grösseren deutschen Problem: «Sie bringen teilweise ganze Säcke und schmeissen sie neben der Autostrasse in die Büsche.»
Aldi-Parkplatz, 10 Uhr morgens. Die Schweizer Grenze ist nur zehn Autominuten entfernt. Fahrzeug reiht sich an Fahrzeug. Neun von zehn haben eine Schweizer Autonummer, die meisten Besitzer sind aus Zürich. Darunter B. M. (39) aus Flaach ZH. Die Hausfrau fährt zweimal monatlich nach Deutschland zum Posten. Sie sagt: «Es ist furchtbar, was die Leute alles wegschmeissen. Grusig, ich schäme mich.» Angewidert ist auch Ursula Schmid (44) aus Berg am Irchel ZH: «Es ist eine verdammte Sauerei. Die Leute packen ihre Pizzas auf dem Parkplatz aus und lassen die Kartonschachteln hier liegen.»
Am Mittag ist der Parkplatz gut gefüllt. Im Minutentakt fahren weitere Autos vor. Deutsche Kennzeichen sucht man vergeblich. Gleichzeitig schieben die ersten Schweizer ihre randvollen Wägeli zu den Parkplätzen. BLICK ertappt Abfallsünderin Dragana V.* (64) und ihre Schwiegertochter auf frischer Tat. Die Frau aus Opfikon ZH schnappt sich einen Einkaufswagen und schmeisst unauffällig zwei Kartonschachteln in das Wägeli daneben.
Unverständlich: Sie hat den Abfall extra aus der Schweiz mitgebracht. Dass sie dabei beobachtet wird, ist ihr offenbar egal. Die Entschuldigung der Abfallsünderin: «Da lag ja schon ein Karton im Wagen. Es ist doch besser, wir schmeissen den Abfall ins Wägeli als auf den Boden.» Dass wenige Meter weiter riesige Müllcontainer stehen, schert sie nicht: «Schuld ist der Laden. Die tolerieren den Abfall.»
Die deutschen Lebensmittelmärkte wollen zur Problematik keine Stellung nehmen. Wohl weil sie die konsumfreudigen Schweizer Kunden nicht vergraulen wollen. Aber: Dicke Warnaufkleber auf den Abfallkübeln mit dem Hinweis «Hausmüll entsorgen verboten!» sprechen eine deutliche Sprache. In flagranti wird nur selten ein Mülltourist erwischt. Und wenn, dann bekommt er höchstens eine Busse aufgebrummt.