Alter schützt vor Strafe. Zumindest im Fall eines Schweizer Priesters (84), den der Freiburger Bischof Charles Morerod wegen sexuellen Missbrauchs Jugendlicher 2016 aller Ämter enthoben hatte. Der Vatikan hebt die Suspendierung des Pädo-Priesters auf. Der Grund: sein Alter.
Bei einem alten Priester wolle Rom die sexuellen Übergriffe verjähren lassen – und nicht über die Verjährung hinaus bestrafen, zitiert der «Tages-Anzeiger» aus einer E-Mail des Westschweizer Bischofs Morerod an die Opfer. Der übergriffige Priester solle Geld in einen Opferfonds einzahlen und nicht mehr mit Jugendlichen arbeiten. Das impliziere laut Morerod kein Verbot aller priesterlichen Funktionen. Der Priester im Ruhestand ist als Aushilfe tätig.
Im Pfadilager berührte er den 15-Jährigen
Am 20. Juli 2016 hatte es ein Gespräch zwischen zwei Opfern, einem Zeugen, dem Bischof und dem betroffenen Priester gegeben. Dem «Tages-Anzeiger» liegt das Protokoll vor. Ein Opfer berichtete laut der Zeitung, dass der Priester sich ihm auf einem Pfadilager 1967 sexuell genähert habe, als er wegen eines Quallenstichs am Oberschenkel Hilfe gesucht hatte. Damals sei er 15 Jahre alt gewesen. Schon vor 30 Jahren habe er den Vorfall dem damaligen Bischof gemeldet.
Das zweite Opfer berichtete, er sei 1970 als 11-Jähriger im Collège St. Michel in Freiburg von dem Priester bedrängt worden. Der im Internat als Erzieher tätige Priester habe seine Genitalien untersucht, als er krank gewesen sei. Der Zeuge, der damals ebenfalls in dem Gymnasium arbeitete, erzählte zudem, dass der Priester beim Zähneputzen regelmässig kontrolliert habe, ob die Buben einen Slip trugen.
Der Priester bestritt alle Vorwürfe. Doch Bischof Morerord glaubte den Opfern und reagierte umgehend. Dem Priester stellte er laut «Tages-Anzeiger» wiederholt die Frage, wie er sich erkläre, dass drei Personen, die sich nicht kannten, die genau gleichen Fakten schildern.
Bischof Morerod reagierte umgehend
Weil die Übergriffe mehr als 50 Jahre zurücklagen, waren der Freiburger Justiz die Hände gebunden. Bischof Morerod tat, was ihm möglich war: In der Folge des Gesprächs suspendierte der Bischof den Priester wegen «unsittlicher Berührungen» von allen priesterlichen Diensten und empfahl ihm, sich professionelle Hilfe zu suchen. Zudem strengte die Diözese eine kirchenrechtliche Untersuchung bei der römischen Glaubenskongregation an.
Doch obwohl Papst Franziskus immer wieder hartes Durchgreifen bei Missbrauch fordert, hebt Rom die von Bischof Morerod verhängte Suspendierung nun auf. Damit kommt der Priester praktisch ohne Strafe davon.