Er: der Mann mit dem doppelten Ich. Emil und Emil. Sagen die, die in Emil Steinberger eben nur die Witzfigur Emil sehen, die uns in stubenreiner schweizerischer Manierlichkeit seit gefühlten 100 Jahren auf allen Bühnen, in Radio und TV die eigene biedere Unzulänglichkeit vor Augen führt. Lauthals dürfen wir diesen komischen Kauz auslachen und merken nicht, dass für Emil Steinberger sein Job über endlos lange Jahre eine Art Selbsttherapie gewesen ist.
Jetzt, mit 82, feiert Emil ein grandioses Comeback: «Emil – No einisch!» Ein Titel voller Selbstironie. Er steht mitten auf der Bühne – wie einisch. Wir lachen den komischen Kauz immer noch aus – wie einisch, und liegen ihm im Zuschauerraum in Scharen zu Füssen – wie immer. Oben steht ein lebensweiser Komiker, der im Herbst seines Schaffens besser ist denn je. Und wer genau hinschaut, genau hinhört, ahnt: Der da oben hat sich befreit. Jetzt spielt der Steinberger seinen Emil.
Was hätte einer wie er denn anfangen sollen mit seinem Leben? Der Mief in einem Genossenschaftsbau in Luzern begleitete ihn in seiner Jugend. Vater Buchhalter und zu Hause herrschte Gehorsam, Fleiss, Anstand und Ordnung, Tugenden des kleinbürgerlichen Untertanen, und meist wächst aus diesem Biotop ein neuer Kleinbürger nach. In diesem Fall waren es deren zwei: der junge Emil Steinberger, dem sein Berufsberater im realen Leben die Profession des Coiffeurs empfahl, der aber aus einem unbändigen Sicherheitsbedürfnis dann doch lieber zur Post ging, weil dort eben die sichere Lebensstellung winkte.
Und dort war auch der Humus, wo der Steinberger seinen Emil fand, den er später zum Bühnenleben erweckte. Das Telefon, die Zahlen, die Papierfötzel, alles gabs bei der Schweizer Post, und Emil Steinberger konnte gewissermassen auf Staatskosten sein Alter Ego Emil ausbrüten.
Im Kleintheater am Bundesplatz, heute Kleintheater Luzern, das er 1967 zusammen mit seiner damaligen Frau Maya gegründet hat, führte er seine ersten eigenen Programme auf. Mochten auch die Hohepriester des heimischen Feuilletons seinen Witz als Nicht-Kunst abtun, Emil eroberte die Herzen des Publikums und füllte Theater, Zirkuszelte und Kinosäle. 1976 das Zürcher Schauspielhaus. 1977 den Circus Knie. 1978 und 1981 als Titelheld in «Die Schweizermacher» und «Kassettenliebe»; 1988 erhielt er den Hans-Reinhart-Ring, die höchste Schauspieler-Auszeichnung, die unser Land zu vergeben hat.
Und weil die Bühnenfigur Emil bei diesem Leben des atemlosen Kabarettisten im wirklichen Leben immer mehr vom Emil Steinberger vereinnahmte, auffrass gar, musste Steinberger sich scheiden lassen. Von Emil – 1987 trat er zum letzten Mal auf. Zwei Jahre später auch von seiner Liebe Maya.
Jetzt ist er zurück – no einisch! Wie ein Junkie nach dem Entzug. Dafür virtuoser denn je. Und jetzt, wo es keine Rolle mehr spielt, ob Kunst oder nicht, erweisen ihm auch die Feuilletonisten landauf, landab die Referenz. Es ist zum Lachen!