Editorial
Trump Paroli bieten

Publiziert: 05.02.2017 um 00:12 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 21:11 Uhr
Gieri Cavelty

Liebe Leserin, lieber Leser

Ich höre Sie bereits aufstöhnen: Schon wieder Trump?! Ist der Wüterich in Washington nicht schon genug gewürdigt worden? Das ist eben der Punkt: So viel wird tagtäglich getextet und getwittert, gebibbert und gewettert – kaum jemand hat da noch den Über-, geschweige den Durchblick. Gerade in den sozialen Medien hat sich eine gigantische Panik-Blase gebildet, der rote Hahn im Weissen Haus verbreitet eigentliche Weltuntergangsstimmung. Wir möchten im SonntagsBlick unvoreingenommen hinschauen und Ihnen einen Überblick verschaffen: Wie gefährlich ist Donald Trump wirklich? Für wen genau und warum? Wovor müssen wir uns effektiv fürchten – und wo schlagen berechtigte Sorgen in blinde Panik und schrille Polemik um? Es geht hier nicht ums Beschönigen! Selbstverständlich gibt es sehr viel Grund zur Sorge. Die Gesinnung von Trump-Berater Stephen Bannon beispielsweise muss als faschistoid bezeichnet werden. Letztlich bringt einen allerdings nur eine nüchterne Analyse weiter, sie erlaubt eine wirksame Gegenstrategie. Alt Bundesrat Christoph Blocher hat dies auf den ersten Blick erkannt. Der NZZ verriet er diese Woche: «Trumps Taktik ist es, den Knebel verdammt weit zu werfen, damit er dann stückweise nachgeben kann.» Natürlich erfährt man hier ebenso sehr etwas über Christoph Blocher selbst. In der Tat und vor allem aber muss man beherzigen: Es ist für alle Verfechter von Frieden, Fortschritt und Wohlstand nicht nur eine Pflicht, Trump entschieden Paroli zu bieten – es lohnt sich auch! Es braucht jedoch einen langen Atem. Im Übrigen verstellen, dies sei auch gesagt, rasche Empörung und die Verteufelung von Donald Trump den Blick auf die intellektuellen wie moralischen Defizite diesseits des Atlantiks. Hat nicht, um nur ein kleines Beispiel aus der Schweiz zu nennen, der CVP-Präsident einer Bevorzugung christlicher Flüchtlinge das Wort geredet?

Aber noch einmal zu den alt Bundesräten: Die Kampagnenleiter für ein Ja zur Unternehmenssteuerreform wollen den Medien derzeit Interviews mit verschiedenen Ex-Magistraten schmackhaft machen. Nachdem Eveline Widmer-Schlumpf mit ihrer Kritik an der Vorlage das Nein-Lager entscheidend gestärkt hat, soll ein letztes Aufgebot mit Pascal Couchepin, Christoph Blocher und Ruth Metzler die Stimmung wieder kehren. Als derart unglaubwürdig wird das aktuelle politische Spitzenpersonal derzeit offenbar wahrgenommen – heute gelten alt Bundesräte als die letzten Hüter der Glaubwürdigkeit. Trump Times!

Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen

Gieri Cavelty

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