Erreicht der Tessiner Umweltskandal nun auch den Nobelort Ascona TI? Im Frühjahr 2019 entdecken Tessiner Journalisten, wie der Betonproduzent Silo & Beton Melezza AG heimlich im Centovalli seinen Schlamm entsorgt. LKW kippen den mit Schwermetallen und Kohlenwasserstoffen belasteten Schlick in den beliebten Nacktbadefluss Melezza (BLICK berichtete).
Dann beobachteten Orlando Guidetti (48) und Federica Ciommiento (22) von der Zeitschrift «Inchiesta», wie an der Produktionsstätte des Unternehmens in Losone TI der Schlick ungefiltert in den Fluss Maggia und weiter in den Lago Maggiore fliesst. Jetzt setzten die beiden mit einem Video auf Youtube noch eins drauf: Der Betonschlick düngt offenbar auch die Reis- und Maisfelder des Fünfsternehotels Castello del Sole in Ascona.
Edelprodukte werden im eigenen Laden verkauft
Die Produkte des Guts Terreni alla Maggia werden im eigenen Laden verkauft und haben ihren Preis. Stammen sie von leicht verseuchten Böden? Orlando Guidetti fragt dies den Direktor des Landwirtschaftsbetriebs. «Wir haben eine schöne Zusammenarbeit mit der Silo & Beton Melezza», gibt Fabio Del Pietro im Interview freimütig zu. Und: «Sie beliefern uns mit hochwertigem, organischem Material.»
Die Petrucciani AG, die eng mit der Silo & Beton Melezza AG zusammenarbeitet, bringt und verteilt mit Baggern den Schlick auf die Felder der Terreni alla Maggia. Der Inhaber dieses Transportunternehmens bestätigt in einem schriftlichen Interview mit der Journalistin von «Inchiesta», dass er von den Schadstoffen im Betonschlick wisse.
So hochwertig, wie der Direktor im Video meint, ist der Dünger aus Losone TI aber offenbar nicht. «Wir haben eine Probe von einem Feld der Terreni alla Maggia und eine direkt von der Silo & Beton Melezza AG vor Ort entnommen und dem Labor Helvetia Lab zur Analyse gebracht», sagt Orlando Guidetti zu BLICK. Ergebnis: «Die Proben waren, was den Gehalt an Blei und Kupfer anging, fast identisch und sie sind grenzwertig.»
Direktor präsentiert eigene Messergebnisse
Auf BLICK-Anfrage präsentiert Direktor Fabio Del Pietro ebenfalls chemische Messungen. Seine Werte liegen weit unter denen des Helvetia Lab. Auch dementiert Fabio Del Pietro in einem Brief, dass der Schlick der Silo & Beton Melezza AG zum Düngen verwendet wurde.
Grundsätzlich müssten Abfallprodukte der Betonherstellung in einer Sonderdeponie entsorgt werden. Das schreibt die Abfallverordnung vor. Zudem: Bevor Schlick aus Betonproduktion oder Granitabbau als Dünger verwendet werden kann, bedarf es einer speziellen Zulassung des Bundesamts für Umwelt. Nur, so die Behörde auf Anfrage der beiden Journalisten: Bislang sei kein Antrag auf so eine Zulassung aus dem Kanton Tessin eingegangen.