So gedenkt Genua der Opfer des Brückeneinsturzes
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43 Menschen kamen ums Leben:So gedenkt Genua der Opfer des Brückeneinsturzes

Drei Jahre nach dem Brücken-Unglück in Genua
«Es ist unvorstellbar, dass sie so sterben mussten»

Am 14. August 2018 stürzte in Genua die Morandi-Brücke ein. Das Unglück mit 43 Toten lastet heute noch auf den Schultern der Stadt. Ein Augenschein vor Ort.
Publiziert: 14.08.2021 um 19:50 Uhr
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Aktualisiert: 15.08.2021 um 08:21 Uhr
Valentin Rubin

Der Tankstellenwart blickt über die Schultern. Dorthin, wo bis vor drei Jahren noch der Ponte Morandi thronte, eine von Genuas wichtigsten Autobahnbrücken. Bis sie am 14. August 2018 zusammenkrachte. Der Tankstellenwart zögert einen Moment, dann sagt er verbittert: «Die Brücke ist nicht einfach eingestürzt. Die Betreiber haben sie einstürzen lassen.» 43 Menschen starben damals, darunter auch Freunde von ihm.

Er ist einer von vielen, die diesen Tag nie vergessen werden. Der Kollaps der Brücke traf die stolze Hafenstadt in Norditalien wie ein Infarkt. Bereits Jahre zuvor wurde gewarnt, dass die Brücke erhebliche Mängel aufweise. Dagegen unternommen wurde nie etwas.

Seit gut einem Jahr steht in Genua an gleicher Stelle eine neue Brücke. Es scheint fast, als sei hier nie eine Tragödie vorgefallen. Die Augustsonne brennt herunter, Zikaden singen von den Bäumen, auf den Balkonen hängt Wäsche zum Trocknen, der Verkehr rauscht unentwegt durch das Arbeiterquartier.

«Verlust schmerzt immer noch»

Doch viele Genuesen sind noch wütend. Vor allem die Angehörigen der Opfer. Sie haben ein eigenes Komitee gegründet und kämpfen noch heute für Gerechtigkeit und gegen das Vergessen. SonntagsBlick trifft deren Präsidentin Egle Possetti im Rahmen der Gedenkzeremonien in Genua. Possetti, von Beruf Anwältin, hat damals einen Teil ihrer Familie verloren. Ihre Schwester, ihren Schwager und deren zwei Kinder.

«Der Verlust schmerzt immer noch», sagt Egle Possetti im Gespräch. Sie wirkt gefasst. «Jeden Tag denke ich an meine Schwester und ihre Familie. Es ist ein Kampf. Es ist unvorstellbar, dass sie so sterben mussten.»

Die neue Brücke sei zwar beeindruckend, der Bau schnell und unbürokratisch vonstattengegangen. Seit etwas mehr als einem Jahr ist sie für den Verkehr geöffnet. «An sich wurde hier hervorragend gearbeitet», so Possetti. «Aber es ist nicht unsere Brücke.»

Angehörige blieben der Eröffnung fern

Es sei zudem vermessen, die Fertigstellung einer Brücke als besonderen Erfolg zu feiern. Vor einem Jahr, bei der Eröffnung, nannte der damalige Ministerpräsident Giuseppe Conte die Brücke ein «Symbol für ein neues Italien». Sämtliche Angehörige der Opfer sind der Eröffnung aber ferngeblieben. Von diesem neuen Italien, von dem wollen sie nichts wissen.

Possetti hebt hervor: «Eine Brücke müsste von Anfang an sicher sein. Dann wären auch meine Schwester und ihre Familie noch am Leben.» Hätte man Ressourcen und Geld für einen sauberen Unterhalt früher eingesetzt, müsste sie in diesen Tagen nicht in Genua sein.

Doch Possetti ist hier. Sie kann nicht anders. Viele kennen sie, sind dankbar für ihre Arbeit. Am Freitagabend führt sie andächtig einen Kerzenumzug mit mehreren Hundert Menschen durch die Stadt an. Einige weinen, andere lachen. Man kennt sich, der Schmerz vereint. Nahe der neuen Brücke kommt der Zug zum Stillstand. Es werden 43 Ballons in den Nachthimmel entlassen. Die Sirenen der Ambulanzen klingen, bis die Ballons im Dunkeln verschwinden.

Und auch am Samstag, dem eigentlichen Jahrestag, steht Egle Possetti wieder vor einer Menschenmenge. Im Schatten der mächtigen Brücke erinnert sie an die Opfer, bedankt sich in ihrer Rede bei allen Anwesenden. Fürs gemeinsame Trauern, fürs Zusammenstehen. Tags zuvor konnte sie ihre Tränen noch zurückhalten. Nun gelingt ihr das nicht mehr.

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