Dr. Michael Hübler über seine spektakuläre OP an einem Baby
«Sophias Herz wurde mit einem Jet eingeflogen»

Die herzkranke Sophia war nur gerade drei Wochen alt. Dennoch pflanzte ihr der erfahrene Chirurg Michael Hübler am Kinderspital Zürich ein Spenderherz ein. Es ist das erste Mal, dass in der Schweiz einem Neugeborenen unter 30 Tagen ein Herz transplantiert wurde. Die erfolgreiche Operation wird Auswirkungen auf die Kindermedizin haben.
Publiziert: 02.02.2016 um 19:23 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 22:17 Uhr
Herzchirurg Michael Hübler bei der Arbeit.
Guido Felder

Professor Hübler, was ist in Ihnen vorgegangen, als Sie sahen, dass die kleine Sophia die Transplantation gut überstanden hat?
Michael Hübler:
Als das neue Herz in ihrem Körper kräftig zu schlagen begann, war ich sehr erleichtert. Ich habe mich unglaublich gefreut, dass ihr eine neue Zukunft geschenkt wurde.

Von wem stammt das Spenderherz?
Von einem acht Monate alten Kind aus einem europäischen Land. Das Organ wurde mit einem Jet eingeflogen.

Woran ist dieses Kind gestorben?
Mehr zum Spender darf ich nicht sagen.

Wie gross war das Risiko, dass Sophia stirbt?
Bei über zehn Prozent. Ein Risikofaktor war zum Beispiel, dass das Spenderherz für Sophia dreimal grösser war als ihr eigenes.

Wie lange hätte Sophia mit dem künstlichen Herzen noch leben können?
Meine Erfahrungen haben gezeigt, dass das bis über ein Jahr möglich ist.

Sie haben zum ersten Mal in der Schweiz einem unter 30 Tage alten Kind ein neues Herz eingepflanzt. Warum gibt es nicht mehr Herztransplantationen bei Babys?
Die erste Herztransplantation bei einem Neugeborenen gab es schon 1985 in den USA. Ich selbst habe bereits vor zwölf Jahren in Berlin ein so kleines Herz erfolgreich transplantieren können. So kleine Spenderorgane sind sehr selten zu bekommen, weil die Feststellung des Hirntodes bei Kindern meist schwierig ist.

Was heisst das?
Ein Spender muss zuerst hirntot sein, bevor man ein Organ entnehmen darf. Bei so kleinen Kindern ist das Gehirn trotz Schädigung länger durchblutet als bei Erwachsenen. Eine Hirntod-Diagnostik ist daher schwieriger, manchmal unmöglich.

Michael Hübler, Chefarzt am Kinderspital Zürich.
Foto: Keystone

Was ist der Unterschied, wenn Sie einem Erwachsenen oder einem Baby ein neues Herz einpflanzen?
Bei Kindern sind die Gefässe viel kleiner und feiner. Es ist die grössere Herausforderung. Dafür haben Kinder die bessere Prognose, weil bei ihnen die Abstossreaktion schwächer ist.

Was bedeutet für Sie dieser Erfolg?
Ich freue mich, dass ich zeigen konnte, dass Transplantationen auch bei Neugeborenen sehr gut möglich sind. Bisher musste ein Kind für eine Transplantation in der Schweiz mindestens drei Monate alt sein, sonst wurde die Therapie eingestellt und das Kind musste sterben. Eine solche Altersgrenze ist also völlig unnötig.

Damit braucht es aber auch ein neues Spendersegment: ganz kleine Kinder.
Genau. Deshalb der Aufruf an Kinderärzte: Sie sollten sich bei hoffnungslos kranken Kindern, die im Sterben liegen, überlegen, ob sie nicht behutsam das Gespräch mit den Eltern suchen sollten. Mit einer Organspende könnte ein anderes Kinderleben gerettet werden.

Warten auf Sie schon die nächsten kleinen Patienten, die ein Organ brauchen?
Ja, ein Mädchen. Es ist allerdings schon etwas älter.

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