Die Lösung für das angeschlagene Milizsystem?
Berner Stadtrat will Jobsharing für den Gemeinderat

Berner Politikerinnen und Politiker sollen künftig die Möglichkeit haben, zu zweit für ein Amt im Gemeinderat zu kandidieren. Der Berner Stadtrat hat den Gemeinderat beauftragt, eine Teamkandidatur für die Exekutive zu prüfen. Der amtierende Gemeinderat findet das keine gute Idee.
Publiziert: 18.10.2018 um 23:09 Uhr
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Aktualisiert: 19.10.2018 um 15:34 Uhr
Der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried ist von der Jobsharing-Idee nicht begeistert.

Das Schweizer Milizsystem ist in der Krise. Jede zweite Gemeinde hat Mühe, Kandidaten für den Gemeinderat zu finden, wie BLICK im Frühling publik machte. In Bern wollen sie dem Problem mit Jobsharing entgegentreten. Das bedeutet, dass Berner Politikerinnen und Politiker künftig die Möglichkeit haben sollen, zu zweit für ein Amt im Gemeinderat zu kandidieren.

«Die zeitlichen Anforderungen, die ein Exekutivamt mit sich bringen, schliessen einen grossen Teil der potentiell dafür Interessierten und Geeigneten aus», sagte Martin Krebs (SP) am Donnerstag. Es gehe darum, Kaderfunktionen einer breiten Bevölkerungsgruppe zugänglich zu machen, ergänzte Benno Frauchiger (SP) seinen Kollegen.

Gesamtes Stadtparlament stimmte zu – ausser die SVP

Wie Jobsharing funktionieren kann, demonstrierten die beiden Postulanten in ihrem geteilten Votum vor dem Berner Stadtrat gerade selber. Eltern, Menschen mit Behinderungen und solche, die - aus welchen Gründen auch immer - nicht Vollzeit arbeiten wollten, könnten von einem Jobsharing-Modell profitieren.

Der Vorstoss stiess beim Stadtparlament auf grosse Zustimmung. Mehr Ideen, ein besserer Austausch und mehr Meinungsvielfalt könne eine Teamkandidatur bringen, waren viele überzeugt. «Fortschrittliche Unternehmen haben schon lange auf diesen Trend reagiert», sagte Matthias Egli (GLP).

Ginge es nach Lea Bill (GB) sollten auch gleich eine Teamkandidatur für den Stadtrat und Teilzeitstellen geprüft werden. Einzig die SVP stellte sich gegen den Vorstoss. Für Alexander Feuz ist klar: «Auf ein Hühnerhof gehört nur ein Gügel.»

Viele offene Fragen müssen geklärt werden

Für das Berner Stadtparlament ist klar: Bevor eine Teamkandidatur im Gemeinderat umgesetzt werden kann, müssen vorher viele Fragen geklärt werden. Wie soll etwa ein gemeinsamer Wahlkampf aussehen? Wie werden die Aufgaben aufgeteilt? Genau deshalb sei es nun wichtig, dass sich der Gemeinderat mit der Thematik auseinandersetze, argumentierte das Stadtparlament.

Es gebe heute in der Schweiz «zwar keine guten Beispiele für eine Teamkandidatur im Gemeinderat, es gibt aber auch keine schlechten dagegen», sagte Benno Frauchiger SP-Postulant.

Der rot-grüne Gemeinderat hat sich jedoch gegen den Vorstoss ausgesprochen - zum Unverständnis vieler Stadträtinnen und Stadträte. Politische Verantwortung für ein Amt sei unteilbar, schreibt er in seiner Antwort an den Stadtrat. Eine Doppelbesetzung würde im Auftritt gegen aussen und innen für Unklarheiten sorgen.

Der Gemeinderat sieht im Wahlkampf zudem Benachteiligungen gegenüber Einzelkandidierenden. Zwei Personen könnten allein schon aus Kapazitätsgründen mehr Präsenz zeigen als eine Person. Sorgen macht sich der Gemeinderat auch, was im Falle eines Rücktritts oder Ausfalls einer Person im Jobsharing passiert.

Vor dem Stadtparlament zeigte sich der Gemeinderat versöhnlich: «Wir werden selbstverständlich nach Lösungen suchen - auch wenn dies ein grosser Aufwand bedeutet», sagte Stadtpräsident Alec von Graffenried. (SDA)

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