Eine Äusserung von Ringier-CEO Marc Walder schlägt seit einigen Tagen Wellen. Er sagte in einem Video vom 3. Februar 2021, das nun öffentlich wurde, er habe sich mit den Chefredaktorinnen und Chefredaktoren über die Berichterstattung zu Corona ausgetauscht und ihnen inhaltliche Vorgaben gemacht. «Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind, auf meine Initiative hin gesagt: ‹Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen.›»
Seither muss sich Blick von Konkurrenten und auf Social Media anhören, unsere Corona-Berichterstattung sei fremdgesteuert, unkritisch und regierungshörig.
Es trifft zu, dass sich der Chefredaktor der Blick-Gruppe und der Ringier-CEO regelmässig austauschen. Manchmal ist man gleicher Meinung, manchmal nicht. In jedem Fall war und ist es die Redaktion, die um inhaltliche Fragen ringt, die über den einzelnen Beitrag, die Schlagzeile, den Journalismus entscheidet.
Das unterscheidet Medienunternehmen von anderen Branchen: Sie funktionieren nicht in einer hierarchischen Linie, sondern in zwei. Sie sind getrennt in einen kommerziellen Teil und in einen publizistischen. Dieser muss ausschliesslich nach journalistischen Kriterien funktionieren, geführt von einer Chefredaktion, ansonsten unabhängig, auch vom CEO, einzig den Leserinnen und Lesern verpflichtet.
Es gab nie einen «Befehl»
«Auf meine Initiative hin», «wir wollen die Regierung unterstützen» – herausgepickt kann das tatsächlich nach Befehlsausgabe, nach Appell zu Regierungshörigkeit klingen. Die Äusserungen unseres Chefs rücken uns in ein falsches Licht. Marc Walder hat sich bei der Redaktion entschuldigt, er bedauert seine Wortwahl.
Denn es ist klar: Es gab nie einen «Befehl», und Blick hätte ihn auch nicht ausgeführt. Es ist nicht die Kultur, die wir bei Ringier kennen.
Die Corona-Berichterstattung der vergangenen fast zwei Jahre zeigt es. Blick war nicht regierungstreu, sondern nach bestem Wissen und Gewissen faktentreu. Unzählige Male haben wir den Bundesrat und Kantonsregierungen kritisiert, ihre Entscheide hinterfragt, unter die Lupe genommen, eingeordnet, Hintergründe aufgedeckt, Folgen aufgezeigt – oder auch mal zugestimmt, nämlich dann, wenn wir es richtig fanden.
Nichts geschenkt, alles erarbeitet
Im Newsroom hängt ein Manifest, das für alle Blick-Journalistinnen und
-Journalisten verbindlich ist. Darin steht unter anderem: «Wir treten für Transparenz und Aufklärung ein. Wir berichten über Missstände, unabhängig davon, ob das den Verantwortlichen und Betroffenen nützt oder schadet.» Regierungshörigkeit wäre das Gegenteil davon.
Jetzt wird uns sogar angedichtet, wir seien einen Deal mit Gesundheitsminister Alain Berset eingegangen: Wir stützten seine Corona-Politik und erhielten im Gegenzug vorab vertrauliche Informationen zugespielt. Solche Unterstellungen treffen uns alle, ganz besonders die Kolleginnen und Kollegen der Politik-Ressorts von Blick und SonntagsBlick. Sie haben tatsächlich oft Fakten und Vorgänge herausgefunden, die erst später oder vielleicht gar nicht hätten publik werden sollen – dies aber allein mit ihrer Hartnäckigkeit, ihrem Fleiss, ihrem journalistischen Können. Ihnen wurde nichts geschenkt, sie haben es sich erarbeitet.
Gesellschaftliche Verantwortung
In unserem Manifest steht auch: «Blick zeigt Haltung.» Das ist der erweiterte Zusammenhang, in dem die Worte des Ringier-CEO fielen. Es ist das, was die Arbeit von Blick in der Corona-Krise prägt. Und worauf wir stolz sind.
Wir zeigen Haltung, indem wir uns bewusst sind, dass wir eine gesellschaftliche Verantwortung haben, in einer Jahrhundertkrise wie der Pandemie eine ganz besonders hohe. Diese nehmen wir wahr.
Blick wird gerne vorgeworfen, Dinge zuzuspitzen, auch mal zu übertreiben. In der Pandemie tun wir das Gegenteil davon: Die Wirklichkeit ist dramatisch genug, hier wollen wir möglichst sachlich informieren, Tatsachen liefern statt Mutmassungen, weder verharmlosen noch Panik schüren. Wir wollen die aufgeheizte Stimmung nicht noch mehr aufheizen. Wir wollen nicht nur das Negative vom Negativen bringen, sondern auch mutmachende Corona-News. Blick soll der Ort sein, wo die Schweizerinnen und Schweizer schnell, sachlich und umfassend informiert sind.
Wir haben nie verhehlt, dass wir viele der Massnahmen richtig finden und die Impfung für das wichtigste Mittel im Kampf gegen die Pandemie halten. Wir nehmen freilich auch andere Ansichten ernst und bilden sie ab, bewusst am wenigsten jene, die sich ganz von Fakten gelöst haben. Angesichts des Grossen und Ganzen drehen wir aber nicht jedem Politiker für jede Fehleinschätzung einen Strick. Schliesslich liegen auch wir selber nicht immer richtig.
Verlässlich, faktenbasiert, eigenständig
Das alles hat nichts mit Regierungstreue zu tun, sondern mit einem verantwortungsvollen Umgang mit der Macht, die Blick hat. Unsere Userinnen und User anerkennen das ganz offensichtlich und wissen es zu schätzen. Wir haben den Traffic auf Blick.ch seit Beginn der Pandemie um 40 Prozent gesteigert, und die Zahlen von Blick Romandie liegen über unseren Erwartungen. Wir sind überzeugt: Unser verlässlicher, faktenbasierter, eigenständiger Kurs ist ein entscheidender Grund dafür.
Journalismus, wie Blick ihn macht, ist unabhängig von Einmischungen, von Regierungen, von Direktiven und selbst vom CEO. Nur von einem nicht: von gesellschaftlicher Verantwortung.
Die Chefredaktion der Blick-Gruppe
Christian Dorer, Steffi Buchli, Gieri Cavelty, Andreas Dietrich, Sandro Inguscio, Michel Jeanneret, Roman Sigrist