Davon habe er seit der Rückzugsankündigung der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer wenig gehört. «Und darum kandidiere ich», sagte Röttgen. Er ist damit der erste CDU-Politiker, der offiziell diesen Schritt geht. Zu den voraussichtlichen Bewerbern um den Parteivorsitz gehören auch Friedrich Merz, Armin Laschet und Jens Spahn.
Kramp-Karrenbauer hatte nach der umstrittenen Ministerpräsidentenwahl in Thüringen auch mit den Stimmen der rechtsnationalistischen AfD (Alternative für Deutschland) vor gut einer Woche ihren Rückzug von der Parteispitze angekündigt. Auch auf eine Kanzlerkandidatur für die Bundestagswahl 2021 will sie verzichten.
Seitdem beschäftigt die CDU vor allem die Frage nach einer Nachfolge an der Parteispitze, aber auch die eines möglichen Kanzlerkandidaten. Regierungschefin Angela Merkel (CDU) will ihr Amt ganz regulär bis 2021 ausüben.
Es gehe jetzt nicht allein um eine Personalentscheidung für den Parteivorsitz, betonte Röttgen auf der Pressekonferenz in Berlin vor den Hauptstadt-Journalisten weiter. «Es geht um die politische - personelle und inhaltlich-strategische Positionierung der CDU.»
Röttgen dringt auf eine Entscheidung über den Parteivorsitz «deutlich» vor der Sommerpause. Es sei «unvorstellbar» mit dieser Entscheidung bis Dezember zu warten, sagte er vor den Medien weiter.
Er übte deutliche Kritik an CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer, die am Dienstag Gespräche mit möglichen Bewerbern begann. «Das Verfahren hat mich nicht überzeugt», sagte er. Kramp-Karrenbauer rede nun mit CDU-Politikern, bei denen gar nicht klar sei, ob sie überhaupt Kandidaten seien.
Kramp-Karrenbauer hatte am Vormittag Friedrich Merz getroffen. Am Mittwoch sind Gespräche mit Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet und Gesundheitsminister Jens Spahn geplant. Alle drei stammen wie Röttgen aus Nordrhein-Westfalen und gelten ebenfalls als Anwärter auf den CDU-Chefposten.
Gefragt nach der Dauer der Kanzlerschaft von Merkel sagte Röttgen am Dienstag: «Die Bundeskanzlerin ist gewählt, und nach meiner Einschätzung, nach meinem Wollen wird sie bis zum Ende der Wahlperiode Kanzlerin bleiben.»
Röttgen zog eine klare Abgrenzung zur Linkspartei. Diese habe noch nicht begonnen, das Erbe der SED-Vergangenheit im früheren sozialistischen Teil Deutschlands - der DDR - aufzuarbeiten. Sie distanziere sich nicht eindeutig vom Linksextremismus. Und sie sei aussenpolitisch eine treue Unterstützerin der Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Als Deutschlands Umweltminister hatte Röttgen sich von 2009 bis 2012 das Image des Vorkämpfers für den Atomausstieg und ambitionierten Klimaschutz erworben. Sein Spitzname war «Muttis Klügster», der feinsinnige Jurist gehörte zum direkten Umfeld von Kanzlerin Angela Merkel. Doch dann folgte der tiefe Fall.
Als Spitzenkandidat bei der Wahl des Regionalparlaments in Nordrhein-Westfalen 2012 scheiterte er spektakulär. Fast 13 Punkte lagen zwischen seiner CDU und der SPD von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft im bevölkerungsreichsten deutschen Land. Der heute 54-Jährige bekam damals auch die Quittung dafür, dass er sich vor der Wahl nicht klar zu einem Wechsel nach Düsseldorf auch im Fall einer Niederlage bekannt hatte.
Als er seinen Posten als Umweltminister einfach weiterführen wollte, warf ihn Merkel kurzerhand raus. Kurz danach verlor auch noch seinen Posten als CDU-Vize.
Plötzlich war Röttgen nur noch einfacher Abgeordneter des Bundestags. Doch er rappelte sich wieder auf und übernahm 2014 den Vorsitz im Auswärtigen Ausschuss. Seither ist er ein vielgefragter Experte für Aussenpolitik, der für seine Russland-kritische Haltung und als Amerika-Freund bekannt ist.
In der Union - dem Verbund von CDU und ihrer bayerischen Schwesterpartei CSU - wurde er immer wieder als Kandidat für das Aussenministerium gehandelt. Doch nach der Bundestagswahl 2017 fiel das Auswärtige Amt in den Verhandlungen um eine grosse Koalition an die SPD.
(SDA)