Es gibt Menschen, die sind zur falschen Zeit am falschen Ort: Prinz «Kiko» war so einer. Gerade noch waren seine Verwandten aus aller Welt in Bangkok: sein väterlicher Freund König Juan-Carlos von Spanien, sein früherer Jagdgenosse König Carl Gustaf von Schweden, Alois Erbprinz von und zu Liechtenstein, dessen Untertan er ist; und natürlich Fürst Albert von Monaco, der ja fast sein Stiefbruder geworden wäre, hätte seine Mama Ira zu Witwer Rainier III. «Ja» gesagt.
Nur eben: Christoph Prinz zu Hohenlohe-Langenburg war am falschen Tag am falschen Ort. Er war nicht am 9. Juni 2006 mit 56 königlichen Anverwandten aus 28 Königshäusern beim 60. Thronjubiläum von Thailands König Bhumibol, er kam zwei Monate zu spät nach Bangkok – und an einen Ort, an dem sich kein Adeliger wohl fühlt.
Es ist das 1930 erbaute und seither nicht renovierte Zuchthaus Bang Kwang an der Nonthaburi Road Nr. 117 in Bangkok. Hier gibts keine Einzelzellen, keinen Zimmerservice; dafür aber 40-Mann-Zimmer, aggressive Ratten und fett-gezüchtete Kakerlaken, die zerdrückt mit der täglichen Schale Reis verdrückt werden.
Für den 1.88 Meter grossen, aufgedunsenen und mit 120 Kilo zu schweren Christoph, 49, war es der letzte Ort nach einer 49-jährigen Odyssee um diesen Erdball.
Hier starb der Sohn von Jet-Set-Diva Ira von Fürstenberg, 66, und von «Don Alfonso» († 2003), dem Gründer des Marbella Clubs, der Enkel der milliardenschweren Claire Agnelli, 86, und der Bruder des einst für Mexiko startenden Abfahrtsläufers Hubertus, 47, am 9. August 2006 einen elenden Tod – der Rätsel aufgibt.
Klar ist: Der am 8. November 1956 in Lausanne VD in der Privatklinik Montchoisi geborene Christopherus pendelte rastlos wie seine Mutter durch die Welt. Seine letzte Reise führte «Kiko» nach Dubai und Manila, bevor er in der Wellness-Oase Rayavadee Resort auf Krabi in Thailand gegen viel Geld fastete. Dass der adelige Spross überhaupt in einem Thai-Gefängnis landete, hatte nur damit zu tun, dass er nach Thailand mal wieder Hawaii besuchen wollte.
Nur eben: Wer einen Liechtensteiner Pass besitzt, braucht für Thailand ein gültiges Visum. Und genau das war abgelaufen, nachdem der lässige «Kiko» den ersten Flug nach Hawaii verpasst hatte. Was der findige Ex-Schüler der Hotelierschule von Bad
Gastein (A) schnell änderte: Mit einem Kugelschreiber machte er aus einer 3 eine 9, er verlängerte so eigenhändig sein Visum. Was den Grenzbeamten auf dem Internationalen Flughafen von Bangkok auffiel: Sie sperrten den feinen Prinzen erst ins Flughafen-Gefängnis, dann zu den Mördern ins Bang-Kwang-Zuchtshaus.
Natürlich ruft sein Anwalt seine Mutter Ira in Paris an, die setzt ihre Mutter Claire Agnelli aus der milliardenschweren Fiat-Familie ein. Alle versuchen, die italienische und Schweizer Botschafter in Bangkok auf Trab zu bringen – da die Schweizer in Thailand auch für die Liechtensteiner zuständig sind.Nichts geschieht. Nichts. König Bhumibol, der sich doch ausgerechnet in der Schweiz in seine Sirikit verliebte, bleibt stumm.
Schliesslich fliegen Ira aus Paris und Hubertus aus Málaga zu Christoph nach Bangkok. Sie pendeln zwischen Anwälten, Botschaften und dem Gefängnis. Ein Schock für die Prinzessin: Ihr Sohn zwischen Mördern, Dealern, Lebenslänglichen. Ira kauft ein, um was ihr Sohn sie gebeten hat: «Ein paar Dosen Sprite und Brötchen.»
Dazu kommen gesundheitliche Probleme: «Kiko» hat Diabetes, braucht täglich Insulin. «Am Samstag», so Hubertus, «ging es mit seiner Gesundheit bergab; er kam ins Gefängnis-Spital.» Zu spät! «Er lag in einem Zuckerkoma.»
«Als ich ihn sah, schwebte er in Lebensgefahr», lässt sich Dr. John Lerwitworapong, der 57-jährige Gefängnisarzt, zitieren: «Wegen seines Zuckerwertes spritze ich ihm Insulin.»
«Als ich in zum letzten Mal in der Klinik sah, lag er am Tropf. Ich habe nur sein Gesicht gesehen, mit all diesen Schläuchen. Ich habe gebetet und geweint und gehofft», sagt Mutter Ira.
In der Nacht auf Dienstag versicherte das Spital Hubertus, dass der Zustand seines Bruders stabil sei. Um 3 Uhr rief eine Angestellte des Spitals wieder bei Hubertus an und sagte wörtlich: «I am pleased to tell you that your brother has passed away.» (Es freut mich, Ihnen mitzuteilen, dass ihr Bruder gestorben ist.)
An was «Kiko» tatsächlich gestorben ist, sollen Mediziner in Wien und Zürich anhand von Organen und Gewebeproben ermitteln. Seine letzte Ruhe findet der Rastlose an der Seite seines Vaters Alfonso Prinz zu Hohenlohe – einbalsamiert, wie es die thailändische Regierung nach der Tsunami-Katastrophe für alle verstorbenen Ausländer fordert.
Dabei begann doch bei den Hohenlohes und den Fürstenbergs alles mit Maiglöckchen und Glück. Das war im Juni 1953 in Donaueschingen. Hier fragt der aus Mexiko angereiste Porsche-Vertreter Alfonso Fürst zu Hohenlohe bei einer Fürstenberg-Hochzeit ein verträumtes junges Mädchen: «Einen Pfennig für deine Gedanken!» Unbefangen antwortet das Kind: «Oh – ich dachte gerade, dass ich mein Leben am liebsten in einem Park voller Maiglöckchen verbringen würde.»
Weiter kam das Gespräch zwischen der kleinen Ira und dem jungen Prinzen nicht voran: Die Gouvernante der kleinen Träumerin erschien und schickte sie mit den Worten «Dreizehnjährige Mädchen dürfen nicht die ganze Nacht aufbleiben» zu Bett.
Tags darauf fand Ira ihren Frühstückstisch mit Maiglöckchen geschmückt, zwei Jahre später, am 15. September 1955, heiratet der 30-jährige Alfonso in Venedig die 15-jährige Ira von Fürstenberg. Es wurde die Hochzeit des Jahres: 130 Gondeln begleiteten den Brautzug. Die Braut selber kam verspätet in die Kirche San Sebastiano, da sie nicht müde wurde, ihr prächtiges Brautkleid der Presse zu präsentieren. Und ihr aus Paris eingeflogener Star-Coiffeur Alexandre fiel bei letzten Haar-Retuschen gar in den Canal Grande.
Die Hochzeitsgeschenke mussten in fünf Zimmern untergebracht werden. Von ihrem Onkel, dem Fiat-Chef Gianni Agnelli, erhielt Ira ein Auto, hübsch in Zellophan verpackt –mit einer Schleife aus frischen Maiglöckchen.
Doch schon bald bekam die Liebe Risse. Immerhin war Ira noch fast ein Kind und ihr Mann ein nicht unbekannter Playboy. Auch wenn Ira nur ein Jahr nach der Hochzeit in Lausanne Sohn Christoph bekam und 1959 in Mexico City Hubertus folgte – die Traumliebe war gescheitert.
Als Don Alfonso im Februar 1960 zu Hause in Mexico City eintraf, sagte ihm sein Freund Rudi Graf von Schönburg: «Ira ist gerade abgereist.» Sie hatte sich in den brasilianischen Playboy Francisco «Baby» Pignatari verknallt – und für die Kinder und Alfonso begann ein Albtraum im Kampf um die Erziehungsberechtigung. Heimlich flog er mit seinen Söhnen in einer Cessna 310 aus Mexiko, dank der Hilfe seines Freundes Prinz Bernhard der Niederlande wurden die drei in eine KLM-Maschine nach Amsterdam geschmuggelt. Dann versteckten sie sich in Marbella, dann in Gibraltar, dann in einer Jagdhütte bei Donaueschingen, bevor ihnen die Liechtensteiner Fürstenfamilie in Vaduz Unterschlupf gewährte.
Von normaler Familie konnte keine Rede sein: Vater Alfonso tröstete sich mit Hollywoodstars wie Kim Novak und Ava Gardner; er heiratet das britische Busen-Sternchen Jackie Lane, bekommt von ihr und seiner deutschen Freundin Heidi Balzer noch zwei Töchter.
Mutter Ira verliess ihren «Baby», drehte in Italien 20 Filme und wäre um ein Haar Fürstin von Monaco geworden.
Und die Buben? Hubertus wurde Frauenfreund, Ski-Ass und Sänger, Christoph Teilhaber des New Yorker Restaurants Tre Merli und ein rast- und ruheloser Weltenbummler. Bis er zur falschen Zeit am falschen Ort das Falsche tat.