Andreas Züllig (61), Präsident von Hotelleriesuisse, empfängt SonntagsBlick in seinem Hotel Schweizerhof auf der Lenzerheide GR. Das Haus ist leer, der Betrieb auf Stand-by gestellt. Die Krise trifft den Tourismus hart. Doch der oberste Schweizer Hotelier will kämpfen.
SonntagsBlick: Herr Züllig, wie geht es der Schweizer Hotellerie?
Andreas Züllig: Wir müssen unseren Mitgliedern jedenfalls keine Steueroptimierungskurse anbieten in diesem Jahr. Aber im Ernst: Die Lage ist dramatisch.
Über 60 Prozent weniger Übernachtungen waren es im März. Wie werden die Zahlen für April und Mai aussehen?
Da werden wir bei minus 90 bis 95 Prozent ankommen.
In Ihrem Hotel haben Sie den Lockdown an vorderster Front erlebt.
Als der Bundesrat Mitte März die ausserordentliche Lage ausgerufen hat, war unser Haus innert 48 Stunden leer. Dann haben wir geschlossen und unsere 85 Mitarbeiter für vier Wochen in Kurzarbeit geschickt. Seit Ostern sind wir in der normalen Zwischensaison.
Am 20. Mai öffnen Sie Ihre Tore wieder. Werden die Gäste kommen?
Wir sind jetzt in der Hauptferienzeit schon sehr gut mit Schweizer Familien gebucht. Diese Unterstützung freut uns enorm.
Aber rentiert es auch? Die Schutzbestimmungen sind einschneidend.
Natürlich bedeuten sie mehr Aufwand und weniger Umsatz. In unserem Hotel lassen wir zum Beispiel die Hälfte aller Betten leer, damit die Gäste sich sicher und wohlfühlen. Aber das ist eben auch genau das, was die Gäste suchen: Sicherheit.
Und sie wollen Platz.
Dieses Bedürfnis greifen besonders die Bergtourismus-Regionen jetzt auch auf. In der Bündner Kampagne zum Beispiel werden die Kultsteinböcke Gian und Giachen zeigen, was der Kanton in Sachen Raum und Weite zu bieten hat.
Damit kann die Stadthotellerie nicht punkten.
Sie leidet neben dem Tessin am stärksten unter der Krise. Die Berghotels haben in diesem Sommer wenigstens die Chance, die Schweizer Gäste abzuholen. Aber die Hotels in den Städten leben zu 80 Prozent von den ausländischen Gästen. Diese bleiben in diesem Jahr fast komplett weg.
Können mehr Schweizer Gäste das kompensieren?
Das ist unmöglich. Der Anteil ausländischer Touristen liegt gesamthaft bei 55 Prozent, im Sommer ist er noch höher. Ihr Ausbleiben trifft den Tourismus auf jeden Fall massiv.
Massiv wird auch der Konkurrenzkampf um die einheimischen Gäste werden.
Zweifellos. Doch er darf nicht zu einer Rabattschlacht führen. Wir können nicht bei halber Kapazität und höherem Aufwand auch noch mit dem Preis herunterfahren. Das wäre eine Kamikaze-Übung.
Trotzdem haben grosse Hotelketten bereits damit angefangen. Da werden Übernachtungen für 70 Franken in Viersternehotels angeboten.
So ist es leider. Und was soll eine Jugendherberge machen, wenn ein Viersterneimperium 70 Franken pro Nacht verlangt? Das ist ruinös.
Das Wallis hat seine Kampagne letzte Woche gestartet. Zu früh?
Nicht unbedingt. Das Buchungsverhalten der Gäste zeigt uns: Je stärker der Bundesrat lockert, desto mehr Buchungen gibt es. Das sehen wir bei jeder Bundesratskonferenz aufs Neue: Ist die Botschaft positiv, gehen die Buchungszahlen sofort in die Höhe.
Das klingt schon fast, als ob ich mich als Kunde beeilen müsste.
Es ist tatsächlich so: Wenn Sie im Sommer zehn Tage mit der Familie in der Schweiz Ferien machen wollen, dann müssen Sie jetzt buchen.
Das sind gute Nachrichten für die Hotels. Aber es ist eine Tatsache: Viele von ihnen stehen vor dem Aus.
Das ist leider so. Ein Drittel der Betriebe wird vermutlich nicht überleben. Das sind strukturell schwach aufgestellte Betriebe, die mittelfristig schliessen müssen. Tragisch wird es dort, wo es an einem Ort nur noch ein kleines Hotel hat, das auch als sozialer Treffpunkt dient. Solche Betriebe sind systemrelevant. Es wäre angezeigt, Konzepte zu ihrer Erhaltung zu entwickeln.