Der Mann, der seine Frau im Ehebett töten wollte
Erhängt in Zelle 9

Der Messerstecher von Bergdietikon ist tot: Patrick S. hat sich mit dem TV-Kabel in seiner Zelle erhängt. Die Experten stuften ihn als nicht selbstmordgefährdet ein.
Publiziert: 12.10.2009 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 00:22 Uhr
Von Ralph Donghi und Adrian Schulthess

Ein Aufseher des Aarauer Untersuchungsgefängnisses Telli will Patrick S.* (41) am Samstagmorgen das Frühstück bringen. Doch in der Zelle Nummer 9 ist es totenstill. Insasse Patrick S., Vespa-Fan, Feuerwehrmann, passionierter Werber und zweifacher Familienvater, hat sich mit dem Fernsehantennenkabel erhängt.

Patrick S., der Messerstecher von Bergdietikon AG. Am 16. Juli begeht er seine irre Tat (im BLICK): Mitten in der Nacht, um 1.20 Uhr, steigt er in sein eigenes Haus ein. Er trägt eine Sturmhaube. Geht ins Schlafzimmer, zückt ein Messer und sticht Susan S.* (39) mehrmals in den Hals. Seine Ehefrau, die Mutter seiner Kinder: Sohn Noel (2) und Tochter Seraina (5).

Patrick S. legt eine falsche Fährte: Er stellt zwei Paar fremde Schuhe vor die Haustür und fährt weg. Kurz nach der Polizei taucht er wieder am Tatort auf und spielt den überraschten Ehemann. Er sei soeben aus dem Ausland heimgekehrt. Eine mehrtägige Geschäftsreise ist sein dünnes Alibi.

Susan S. überlebt schwer verletzt. Patrick besucht sie am Nachmittag nach der Tat auf der Intensivstation der Universitätsklinik Zürich. Zwei Stunden später steht er in Baden AG auf dem Polizeiposten. Er stellt sich, gesteht. Die Handschellen klicken.

Patrick S. kommt ins Bezirksgefängnis. Am 22. Juli verlegen ihn die Behörden ins Aarauer Untersuchungsgefängnis. Ein Verfahren wegen versuchter Tötung läuft.

Nie besuchen ihn Familienangehörige dort. Weder seine Frau noch seine beiden Kinder lassen sich jemals blicken.

Einen einzigen Brief schreibt ihm seine Frau. Er kommt am Freitagmorgen an. Hat ihm Susan S. darin geschrieben, dass sie das gemeinsame Haus in Bergdietikon verlassen hat? Kündigt sie ihm die Scheidung an? Und dass er seine geliebten Kinder nie wieder sehen wird? Stürzt ihn dieser Brief in den Todeswahn?

Anmerken lässt sich Patrick S. nichts. Ein externer psychologischer Dienst untersucht ihn mehrmals. Er sei nicht suizidgefährdet, lautet ihr Urteil. Deshalb lassen die Experten den Inhaftierten auch nicht alle zwei Stunden kontrollieren.

An diesem Freitag hält Telli-Insasse Patrick S. die Fassade mit aller Kraft aufrecht. Durch die Zellenwände hindurch macht er sogar Spässe mit seinem Nachbarinsassen. Nimmt dann sein Abendessen ein.

Bevor er Suizid begeht, räumt er seine Zelle auf. Das Stromkabel des Fernsehers rollt er auf, legt es aufs Gerät.

Mehrere Abschiedsbriefe legt er aus. An seine Frau gerichtet und an seine Kinder. Aber auch an die Behörden.

Dann nimmt er das TV-Antennenkabel, knüpft sich seine Schlinge. Das Büchergestell in der Zelle reicht nicht ganz bis zur Decke, die Lücke ist ein Finger breit. Genug Platz, um die Kabelschlinge anzubringen.

Patrick S. beendet sein Leben in der Zelle Nummer 9. Genau dort, wo sich vor zehneinhalb Monaten schon Klaus Lindenthal (†52) das Leben nahm. Am gleichen Büchergestell, dank der gleichen, fingerbreiten Lücke.

Warum haben die Behörden die Zelle nicht suizidsicher gemacht?

Bezirksamtmann Dieter Gautschi glaubt nicht an einen Fehler des Gefängnisses. «Wenn ein Häftling sich unbedingt umbringen möchte, dann findet er immer eine Möglichkeit dazu.»

* Namen der Redaktion bekannt

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