Der britischer Wissenschaftler Stephen Hawking ist tot. Er wurde 76 Jahre alt. Dies teilte ein Sprecher der Familie mit. Hawkings sei am Mittwochmorgen friedlich in seinem Zuhause in Cambridge verstorben. Er sorgte als theoretischer Physiker und Astrophysiker für Furore.
Der Brite wurde für seine bahnbrechende Arbeit mit Schwarzen Löchern und der Relativitätstheorie bekannt. Er war Autor mehrerer populärwissenschaftlicher Bücher, darunter «A Brief History of Time».
«Wir werden ihn für immer vermissen»
Seine Kinder, Lucy, Robert und Tim, sagten: «Wir sind zutiefst traurig, dass unser geliebter Vater heute verstorben ist.» Weiter heisst es: «Er war ein grosser Wissenschaftler und ein aussergewöhnlicher Mann, dessen Arbeit und Vermächtnis noch viele Jahre weiterleben wird. (...) Wir werden ihn für immer vermissen.»
Stephen Hawking litt an der Krankheit ALS
Hawking litt an der unheilbaren Muskel- und Nervenkrankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose). Er erkrankte bereits mit Anfang 20, als er noch ein Physikstudent war. Damals gab man ihm drei Jahre.
Doch die Krankheit schritt bei ihm sehr langsam voran und konnte seinen Aufstieg in der Wissenschaft nicht aufhalten: 1979 wurde er Professor für Mathematik in Cambridge, über 30 Jahre lang hatte er dort den renommierten Lucasischen Lehrstuhl für Mathematik inne - und stand damit in der Nachfolge von Isaac Newton.
«Ich bin der Archetypus eines behinderten Genies», sagte Hawking in einem Interview mit der BBC. «Die Menschen sind fasziniert von dem Gegensatz zwischen meinen extrem eingeschränkten körperlichen Fähigkeiten und den gewaltigen Ausmassen des Universums, mit dem ich mich beschäftige.» Sein ungewöhnliches Leben wurde verfilmt: Der Brite Eddie Redmayne verkörperte das Genie in dem Film «Die Entdeckung der Unendlichkeit» - und bekam dafür 2015 einen Oscar.
Schon seit Jahrzehnten war der Wissenschaftler fast völlig bewegungsunfähig, er sass im Rollstuhl. Er konnte sich nur noch mit der Hilfe eins Computers verständigen. Seine Kräfte liessen zuletzt immer mehr nach. Ärzte hatten Hawking bereits vor etwa einem halben Jahrhundert vorausgesagt, dass er sterben werde. Das hatte Folgen und trieb seinen Ehrgeiz noch an: Der Gedanke an den Tod habe ihn seit langem begleitet. Angst habe er davor nicht, hatte Hawking stets gesagt.
«Es gibt kein Leben nach dem Tod»
Ein Jenseits allerdings hielt er für ausgeschlossen. «Ich sehe das Gehirn als einen Computer an, der aufhört zu arbeiten, wenn seine Einzelteile nicht mehr funktionieren», sagte Hawking der britischen Zeitung «The Guardian». «Es gibt kein Leben nach dem Tod für kaputte Computer; das ist ein Märchen für Leute, die Angst im Dunkeln haben.»
Auf Twitter trauern Fans weltweit um den Wissenschaftler. «Danke, dass du deinen grossartigen Verstand mit uns geteilt hast», schreibt ein User.
Hawkings sagte einmal: «Ich möchte das Universum ganz und gar verstehen. Ich möchte wissen, warum es so ist, wie es ist, und warum es überhaupt existiert.»
«Frauen sind ein komplettes Rätsel»
Das Privatleben kam trotz seiner Karriere nicht zu kurz. Hawking war zweimal verheiratet und hatte drei Kinder. 30 Jahre lang war er mit seiner Jugendliebe verheiratet, doch die Ehe scheiterte - später bezeichnete sie ihn als einen «Haustyrannen». Mit Jane hat Hawking zwei Söhne und eine Tochter. 1995 heiratete Hawking seine Pflegerin, die Verbindung dauerte elf Jahre. In einem Interview mit der Zeitschrift «New Scientist» sagte er auf die Frage, worüber er jeden Tag am meisten nachdenke: «Frauen. Sie sind ein komplettes Rätsel.»
Trotz Gesundheitsproblemen lief das Gehirn des Genies stets auf Hochtouren. Neue Theorien entwickelte Hawking zu Schwarzen Löchern und dem Urknall: Die monströsen Schwarzen Löcher im All sind demnach keine Endstationen. Zwar saugen sie durch ihre enorme Schwerkraft alles ein, was ihnen zu nahe kommt, und lassen nicht einmal das Licht entkommen. Hawking konnte aber in der Theorie zeigen, dass Schwarze Löcher langsam verdampfen - eine Folge der Quantenphysik. Das Verdampfen dauert extrem lange. Die dabei entstehende Hawking-Strahlung liess sich daher bisher nirgends nachweisen.
Bereits als Doktorand hatte Hawking 1965 zusammen mit dem Briten Roger Penrose zudem einen wichtigen mathematischen Beleg für die Urknalltheorie geliefert. Die Idee vom Urknall war damals noch umstritten, unter anderem weil in dieser mathematischen «Singularität» die Naturgesetze nicht mehr gelten und so eine Art Schöpfungsakt notwendig zu werden schien.
Er beschäftigte sich mit Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie und konnte zeigen, dass sie einen Anfang des Universums voraussagte - «ein Ergebnis, das die Kirche interessiert zur Kenntnis nahm», wie Hawking in seiner Autobiografie «Meine kurze Geschichte» (Rowohlt, 2013) schrieb. Später zeigte er jedoch, dass der Anfang des Universums nicht zwangsläufig in einer Singularität gelegen haben muss.
Hawking warnte vor intelligenten Robotern
Ausserdem versuchte Hawking über Jahrzehnte, die Relativitätstheorie mit der Quantenphysik zu vereinen und auf diese Weise eine Art «Weltformel» zu finden - in der Sprache der Physiker eine «Grosse Vereinheitlichte Theorie», die alle Bereiche des Universums beschreiben kann, vom Mikro- bis zum Makrokosmos. Er war eine Art Popstar der Wissenschaft und schreckte nicht davor zurück, zu populären Ideen wie Zeitreisen und Ausserirdischen Stellung zu nehmen.
In seinen letzten Jahren trat Hawking immer wieder als Mahner auf. Intelligente Roboter, Klimaerwärmung, Atomkrieg und durch Gentechnik hergestellte Viren könnten die Erde gefährden, warnte er. Seine Botschaft: Die Menschheit müsse sich Ausweichmöglichkeiten im All schaffen, falls es zu einer hausgemachten Katastrophe kommen sollte. Gemeinsam mit dem russischen Milliardär Jurij Milner plante er, eine Armee nur etwa briefmarkengrosser Raumschiffe auf eine 20-jährige Reise zum Sternsystem Alpha Centauri zu schicken. Hawking war überzeugt: «Früher oder später müssen wir zu den Sternen schauen.» (paf/SDA)
Was bedeutet Hawkings Tod für die Wissenschaft? Wir haben bei ETH-Professor Kevin Schawinski (36) nachgefragt.
Herr Schawinski, wo sind Sie gerade?
In Chile – an einer Konferenz für schwarze Löcher.
Passt ja. Was ist für Sie Hawkings Vermächtnis?
Er hat zum Verständnis des Universums beigetragen.
Als Astrophysiker erforschen Sie ebenfalls schwarze Löcher.
Hawkings hat entdeckt, dass schwarze Löcher nicht ewig halten, sondern verdampfen.
Können Sie diese «Hawking Strahlung» kurz erklären?
Es geht darum, dass sich auch im Vakuum spontan Teilchen bilden können – quasi aus dem Nichts. Diese Teilchen bilden sich immer paarweise mit einem Anti-Teilchen – und lösen sich kurz darauf wieder auf. Wenn sich diese Teilchen nun nahe am schwarzen Loch, am Ereignishorizont, bilden, kann es sein, dass ein Teilchen ins schwarze Loch fällt – und eines nicht. Am Schluss muss sich die Bilanz ausgleichen – und das schwarze Loch verliert Masse.
Uff.
Es war eben Hawkings Verdienst, Physik populär zu machen. Sein «Eine kurze Geschichte der Zeit» ist das beste und klarste Wissenschaftsbuch, das je geschrieben wurde. bö
Was bedeutet Hawkings Tod für die Wissenschaft? Wir haben bei ETH-Professor Kevin Schawinski (36) nachgefragt.
Herr Schawinski, wo sind Sie gerade?
In Chile – an einer Konferenz für schwarze Löcher.
Passt ja. Was ist für Sie Hawkings Vermächtnis?
Er hat zum Verständnis des Universums beigetragen.
Als Astrophysiker erforschen Sie ebenfalls schwarze Löcher.
Hawkings hat entdeckt, dass schwarze Löcher nicht ewig halten, sondern verdampfen.
Können Sie diese «Hawking Strahlung» kurz erklären?
Es geht darum, dass sich auch im Vakuum spontan Teilchen bilden können – quasi aus dem Nichts. Diese Teilchen bilden sich immer paarweise mit einem Anti-Teilchen – und lösen sich kurz darauf wieder auf. Wenn sich diese Teilchen nun nahe am schwarzen Loch, am Ereignishorizont, bilden, kann es sein, dass ein Teilchen ins schwarze Loch fällt – und eines nicht. Am Schluss muss sich die Bilanz ausgleichen – und das schwarze Loch verliert Masse.
Uff.
Es war eben Hawkings Verdienst, Physik populär zu machen. Sein «Eine kurze Geschichte der Zeit» ist das beste und klarste Wissenschaftsbuch, das je geschrieben wurde. bö