Es sollte ein romantischer Samstagabend werden. Stattdessen haben Priska M.* (33) und ihr Mann Thomas M.* (45) nun überall blaue Flecken. Nach einem schönen Nachtessen im katalanischen Städtchen Castelldefels machten sich die beiden auf den Weg zurück ins Hotel. Zu Fuss, schliesslich ist der mittlerweile wohl ehemalige Wohnort von Superstar Lionel Messi eigentlich sicher.
«Wir haben gut gelaunt die Strasse überquert, da kam plötzlich die Polizei und kontrollierte uns», erinnert sich Priska M. «Einer trug keine Maske und kam sehr nahe zu uns.» Daraufhin habe sie ihn gebeten, wie seine Kollegen eine Maske anzuziehen oder Abstand zu halten. Die Situation eskalierte. «Ich wurde zu Boden gedrückt, mit dem Gesicht auf den Asphalt.»
Ihr Ehemann griff ein. «Das Ganze war so absurd, da versuchte ich meiner Frau zu helfen und sie wegzuziehen.» Dann sei auch er zu Boden gedrückt und mit Schlägen traktiert worden. «Dabei wurden wir als Schei**-Touristen beschimpft.» Danach ging es in Handschellen direkt auf die Wache. Dort seien sie dazu gedrängt worden, ein Dokument auf Katalanisch zu unterzeichnen, das keiner der beiden verstand. Im Gegenzug sollten sie freigelassen werden. «Wir haben uns aber geweigert, etwas zu unterschreiben, das wir nicht verstehen», so Priska M.
Sohn allein im Hotel
Während die Eltern die Nacht in Einzelzellen verbrachten, wartete Reto M.*, der 14-jährige Sohn, im Hotel. «Ich flehte die Polizei unter Tränen an, wenigstens meinen Sohn verständigen zu können», erzählt Priska M. Die beiden pflegten eine sehr enge Mutter-Sohn-Beziehung und seien normalerweise im ständigen Austausch. «Um drei Uhr früh ging mein Sohn besorgt auf den Parkplatz unser Auto suchen, weil er nicht wusste, wo wir sind.»
Erst nach Rücksprache mit einem Anwalt in der Schweiz wurden Priska und Thomas M. um 9 Uhr morgens aus der Polizeihaft entlassen und konnten ins Hotel zu ihrem Sohn zurück. Ohne zu wissen, was ihnen genau vorgeworfen wurde. Dies wurde erst an der Gerichtsverhandlung am darauffolgenden Montag klar. «Wir hätten den Verkehr behindert und laut gesungen», erzählt Thomas M. konsterniert. «Dabei haben wir bloss lachend die Strasse überquert.»
Das Gericht befand die beiden schuldig und verhängte insgesamt 240 Euro Busse sowie 35 und 105 Euro Schmerzensgeld für die Polizisten. Für das Schweizer Ehepaar ein Hohn. «Wir haben Hämatome, Schürfwunden, kleinere Prellungen und Blutergüsse im Auge und müssen Schmerzensgeld bezahlen?», fragt Priska M. irritiert. Auf weitere rechtliche Schritte haben die beiden trotzdem verzichtet. «Wir haben schnell gemerkt, dass wir mit juristischen Mitteln kaum Gerechtigkeit erreichen werden, da es keine Zeugen gab», so die Schweizerin. «Ausserdem hätte uns der Rechtsstreit die ganzen Ferien gekostet.»
Katalanische Polizei bekannt für Gewalt
Ruppiges Vorgehen der Polizei ist vor allem in Katalonien keine Seltenheit. Die Mossos d'Esquadra (wie die Regionalpolizei von Katalonien genannt wird) steht immer wieder in der Kritik, unverhältnismässige Gewalt anzuwenden. Erst im Februar wurden bei Demonstrationen gegen die Inhaftierung eines Rappers in Barcelona mehrere Personen verletzt, darunter eine Frau am Auge. Der Polizei wird von lokalen Medien vorgeworfen, die Gummigeschosse bewusst auf Gesichtshöhe abgefeuert zu haben.
Auch bei der Schweizer Familie hat der Vorfall Spuren hinterlassen. Sie sind für die letzten Tage nach Barcelona gereist. Die Feriengelassenheit ist weg. Auf die Strasse geht die Familie kaum mehr. «Ich habe ein mulmiges Gefühl, abends rauszugehen. Und wenn ich die Polizei sehe, bekomme ich Angst», sagt Priska M. Sie appelliert an andere Touristen, vorsichtig zu sein: «Achtet bei Polizeikontrollen auf eure Gesundheit!»
Die Behörden von Castelldefels liessen eine Anfrage von Blick zum Fall unbeantwortet.
* Name geändert