Ein Brennpunkt am ersten Tag der Beratungen am Dienstagmorgen war der künftige Umgang mit Sozialhilfedaten. In der vorberatenden Kommission hatte sich eine Mehrheit aus SVP und FDP durchgesetzt, wonach solche Daten nicht mehr als «besonders schützenswert» gelten sollen.
Hätte der Nationalrat diesen Beschluss bestätigt, wäre die SP nach eigenen Angaben die «unheilige Allianz» mit der SVP eingegangen und hätte das Geschäft in der Gesamtabstimmung abgelehnt. Dieses Szenario wurde zumindest vorerst verhindert, weil die FDP umgeschwenkt ist. Sozialhilfedaten sollen nun doch - wie im geltenden Recht - geschützt bleiben. Dieser Entscheid fiel mit 126 zu 67 Stimmen.
Offen bleibt, ob die FDP am Mittwoch weitere Zugeständnisse machen wird und die SP nach Abschluss der Beratungen bereit ist, das Geschäft anzunehmen. Dagegen spricht, dass die grosse Kammer in einem ihrer ersten Entscheide «gewerkschaftliche Ansichten oder Tätigkeiten» von der Liste der «besonders schützenswerten Personendaten» gestrichen hat.
Hier waren SP und Grüne auf verlorenem Posten. Für die Mehrheit entsprachen gewerkschaftliche Ansichten politischen Ansichten, weshalb auf eine namentliche Erwähnung der gewerkschaftlichen Tätigkeiten verzichtet werden könne. Kommissionssprecher Matthias Jauslin (FDP/AG) sprach von einem «ideologischen Entscheid".
Erfolglos war die Ratslinke auch mit ihren Anträgen betreffend Profiling. Dabei geht es um eine automatisierte Datenbearbeitung, mit welcher bestimmte Merkmale einer Person bewertet werden. Dies geschieht, um eine Person zu analysieren oder um Vorhersagen zu einer Person zu treffen.
Eine solche Form der Datenbearbeitung kann für die Persönlichkeits- und Grundrechte der betroffenen Personen ein besonderes Risiko bergen, wie Balthasar Glättli (Grüne/ZH) zu bedenken gab. Er wollte deshalb eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen für ein Profiling im Gesetz festschreiben.
Das lehnte eine Mitte-rechts-Mehrheit in der grossen Kammer aber ab. Sie begründete das damit, dass das Problem des Profilings vom Ständerat sicherlich noch einmal detailliert geprüft werde. Allfällige Anpassungen könnten dann in der Differenzbereinigung diskutiert werden.
Bevor es aber so weit ist, muss der Nationalrat die Totalrevision des Datenschutzgesetzes und die damit verbundene Änderung zahlreicher weiterer Erlasse am Mittwoch zu Ende beraten. Nach einhelliger Meinung des Bundesrats und des Parlaments sollen die Regeln betreffend Datenschutz an das Internetzeitalter angepasst werden. Das geltende Datenschutzgesetz ist im Jahr 1993 in Kraft getreten.
Wie die Modernisierung geschehen soll, darüber scheiden sich aber in weiteren wichtigen Punkten die Geister. Bereits in der rund zweistündigen Eintretensdebatte am Dienstagmorgen gingen die Wogen hoch. Richtig zufrieden mit dem vorliegenden Entwurf ist niemand. Den einen geht es zu wenig weit, den anderen zu weit.
Grundsätzlich skeptisch ist die SVP. «Wir haben langsam genug davon, jeden Unsinn von der EU zu übernehmen», sagte Gregor Rutz (SVP/ZH). Seine Partei wollte die Vorlage an den Bundesrat zurückweisen mit dem Auftrag, diese so weit wie möglich zu entschlacken. «EU-Vorschriften sind nur dort zu übernehmen, wo es unumgänglich ist.» Sonst drohe eine «Flutwelle der Bürokratie".
Andreas Glarner (SVP/AG) bezeichnete die Vorlage als «Minenfeld für KMU» und «Konjunkturprogramm für Anwälte". Für kleine und mittlere Unternehmen seien die neuen Regeln unzumutbar, zudem werde es zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten kommen, prognostizierte Glarner.
Auch aus Sicht der SP hat das Gesetz grosses Verbesserungspotenzial. Die Partei knüpft ihre Zustimmung in der Gesamtabstimmung an verschiedene Bedingungen. Kurz gesagt will die Partei das aktuell gültige Datenschutzniveau «nicht unnötigerweise unterschreiten". Sonst sei eine allfällige Referendumsabstimmung nicht zu gewinnen.
Auch die Grünen hoffen, dass das Gesetz im Laufe der Beratungen «besser wird als von der Mehrheit der Kommission beschlossen», wie es Balthasar Glättli (Grüne/ZH) ausdrückte.
Beat Flach (GLP/AG) plädierte derweil dafür, den Ball flach zu halten.» Viele Punkte, die wir heute diskutieren, gibt es schon.» Niemand habe sich dagegen beschwert.
«Diese Revision ist notwendig und nützlich», stellte Marco Romano (CVP/TI) zu Beginn der Verhandlungen fest. Im täglichen Leben der Bürger und Firmen seien die neuen Grundsätze und Regeln des EU-Systems bereits bekannte Standards und Praxis. Dies gelte es nun in ein Gesetz zu packen.
(SDA)