Vernetzte Fernseher der neuen Generation verdrängen althergebrachte TV-Geräte in Schweizer Haushalten. Sogenannte Smart-TVs sind die Renner im aktuellen Ausverkauf.
Weil die modernen Glotzen mit dem Internet verbunden sind, kann man mit ihnen auch Serien oder Filme aus Online-Archiven herunterladen, Videokonferenzen abhalten oder sich an sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter beteiligen – also nebenher zur laufenden TV-Sendung chatten und Tweets absetzen.
Spion hört mit in der guten Stube
Die Kehrseite: Die TV-Hersteller in Südkorea, Japan und China bekommen – dank ihrer smarten TV-Geräte mit eingebauten Kameras und Mikrofonen sowie einer Sprachsteuerung – Einblick in die Nutzungsgewohnheiten der Zuschauer in der guten Stube.
«Ich würde mich nicht nackt vor einen solchen Fernseher setzen», sagt Guido Rudolphi (54) zu BLICK. Man könne nicht ausschliessen, dass die Informationen aus dem Wohnzimmer in falsche Hände gerieten, sagt der ehemalige Hacker und IT-Sicherheitsexperte. Rudolphi: «Was mit dem Internet verbunden ist, kann auch gehackt werden.»
Eindringlinge können etwa eine Videodatei manipulieren, mit einem Virus versehen und sie zum Download anbieten. Breitet sich der Virus auf dem Smart-TV aus, können Mikrofon und Kamera von Cyber-Kriminellen kontrolliert und eingesehen werden. «So kann praktisch ein Live-Stream in die Stube aufgebaut werden, ohne dass man davon etwas mitbekommt», so Rudolphi.
Tatsächlich stösst man im Netz auf Berichte, wie etwa jenem über ein britisches Paar. Es wurde von der TV-Kamera beim Sex gefilmt. Den Clip entdeckte es dann auf einer Porno-Seite.
Smart-TV-Angebot wird immer grösser
Ralf Beyeler (38), Telekom-Experte des Vergleichportals Verivox, hat sich für BLICK auf dem Markt umgeschaut: «Betroffen könnten potenziell alle TV-Geräte mit Smart-TV und Internetzugang sein.» Laut Beyeler kommen damit sehr viele TV-Geräte aller Hersteller für Missbrauch in Frage. Bekannte Marken: Samsung, LG, Sony, Panasonic und Philips.
Allein der Blick auf das Angebot des Online-Shops Digitec zeigt: von den 201 aufgelisteten TV-Geräten haben 168 Smart-TV, 163 einen Webbrowser, 171 einen Ethernet-Zugang zum Internet oder WLAN. Oder anders gesagt: «Mehr als vier Fünftel der Geräte sind potenzielle Wohnzimmerspione», sagt Beyeler.
Samsung warnt vor Daten-Weitergabe
Die südkoreanische Firma Samsung verweist explizit auf den Spion, der aus dem TV kommt: «Sollten Ihre gesprochenen Worte persönliche Informationen enthalten, seien Sie sich bitte bewusst, dass auch diese Informationen Teil der aufgezeichneten Daten sind, die an Dritte weitergeleitet werden.» Dritte können Unternehmen wie Google oder Microsoft sein.
Konsumentenschützer sind besorgt. Die Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen (D) reichte im Juni 2016 beim Landgericht Frankfurt eine Klage gegen Smart-TV-Marktführer Samsung ein.
IT-Experte Rudolphi rät zum Boykott von Smart-TV-Herstellern. Wer bereits einen TV mit Kamera und Mikrofon besitzt, könne über den Menü-Punkt Einstellungen diese Funktionen ausschalten. «Die Kamera lässt sich zudem schnell mit Klebeband abdecken.»
Wer keine Datenauswertung via Hersteller zulassen wolle, dürfe keinen Zugangscode für das WLAN eingeben oder das TV-Gerät nicht via Ethernet mit dem Internet verbinden, rät Beyeler vom Vergleichsdienst. Aber dann könne man halt auch keine Internetdienste nutzen wie zum Beispiel die Netflix-App.