Das sagen Ausländer in der Schweiz zur Durchsetzungs-Initiative
«Wer Probleme macht, soll zurück»

Sie leben seit Jahren in der Schweiz. Sind integriert. Gehen einer Arbeit nach. Haben teils eine Familie gegründet. Doch eines dürfen die Ausländer bei uns ohne Schweizer Pass nicht: Abstimmen. Im BLICK dürfen sie dafür ihre Meinung sagen. Zu ihren kriminellen Landsleuten im Land. Und zur Durchsetzungs-Initiative der SVP, über die das Schweizer Volk am 28. Februar abstimmt.
Publiziert: 06.02.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 21:52 Uhr
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«Kriminelle Ausländer, die hier Probleme machen, sollen in ihr Heimatland zurückgehen müssen.» Istwan Gasbar (44), Maler, Wynau BE. Ungare, seit fünf Jahren in der Schweiz.
Foto: Ralph Donghi
Ralph Donghi (Text und Fotos)

Sie leben seit Jahren in der Schweiz, sind integriert. Arbeiten. Haben zum Teil hier eine Familie gegründet. Doch eines dürfen Ausländer bei uns nicht: abstimmen.

Dafür dürfen sie im BLICK ihre Meinung sagen zu kriminellen Landsleuten im Land. Und zur Durchsetzungs-Initiative der SVP, über die das Schweizer Volk am 28. Februar abstimmt. Sie will mehr straffällige Ausländer ausschaffen.

Auf dem Parkplatz eines Discounters in Rothrist AG waren die Meinungen gemacht, als BLICK gestern Ausländer zur Initiative befragte. «Könnten wir abstimmen, wir würden Ja sagen!», ist der einhellige Tenor.

Ein Mann kommt besonders in Fahrt. Der Jamaikaner Jerome Ricketts (35). Er lebt seit elf Jahren hier. «Nicht nur die Schweizer sind wegen der kriminellen Ausländer geplagt», sagt der Arbeiter aus Langenthal BE. «Auch wir Ausländer, die sich anständig benehmen.» Seine Hautfarbe macht es ihm nicht leichter. Ricketts nennt zwei Beispiele: «In der Disco werde ich oft nach Drogen gefragt. Oder Leute verriegeln ihre Autotüre – nur, weil ich gerade vorbeigehe.» Dabei wolle er hier nur eines: «Ein ganz normales Leben führen.»

Dies kann auch das italienische Ehepaar Maria (68) und Antonio Esposito (66) aus Rothrist AG nicht mehr so wie früher. «Die Angst ist gewachsen», sagen die Rentner, die schon seit 52 Jahren in der Schweiz leben. «Seit ein paar Jahren fühlen wir uns nicht einmal mehr zu Hause sicher vor Kriminellen.»

Immer unwohler wird es auch dem Tibeter Tashi Senge (45) aus Oftringen AG. Er ist seit 20 Jahren in der Schweiz: «So schlimm wie derzeit war es hier noch nie mit kriminellen Ausländern.» Und oft würden nach einem Delikt leider gleich alle Landsleute in denselben Topf geworfen.

Der Ungare Istwan Gasbar (44) findet noch deutlichere Worte: «Wer Probleme macht, soll zurück.» Aber auch junge Frauen und Mütter sind sich einig: «Die Schweiz wird immer unsicherer.» Oder: «Kriminelle Ausländer sollen in ihrem Heimatland kriminell sein. Dort gibt es auch die härteren Gesetze.» Der Portugiese Daniel Ramos (24) spiegelt die Meinung aller Befragten wider für den Fall, dass die SVP-Initiative angenommen würde: «Ausländer, die sich in der Schweiz anständig benehmen, müssen ja sowieso keine Angst haben, dass sie ausgeschafft werden.»

Die Ernte des Misstrauens

Kein Mensch kommt als Ausländer auf die Welt. Man wird es erst durch das Schicksal. Weil man seine Heimat verlassen will. Oder muss. «Ausländer» ist kein selbstbestimmter Begriff. Die anderen nennen einen so. Es ist auch ein Kampfbegriff.

Ausländer zu sein, ist die einzige Gemeinsamkeit, die die unterschiedlichen Menschen verbindet, die wir hier zur Durchsetzungs-Initiative befragt haben. Es erklärt auch, warum sie mehrheitlich gleicher Meinung sind und Ja stimmen würden, wenn sie dürften. Sie leiden darunter, wenn andere Ausländer kriminell sind. Leute, mit denen sie nichts zu tun haben.

Dass sie sich überhaupt abgrenzen müssen, weil sie als Ausländer unter Generalverdacht stehen – das haben sie zum grossen Teil der SVP zu verdanken. Sie bewirtschaftet das Thema seit Jahren aggressiv. Das ist die politische Perversion in dieser Debatte: Die SVP erntet von Ausländern Unterstützung für die Verachtung, die sie gegenüber Ausländern schürt.

Das meint Blick: Andreas Dietrich, Stv. Chefredaktor
Das meint Blick: Andreas Dietrich, Stv. Chefredaktor

Kein Mensch kommt als Ausländer auf die Welt. Man wird es erst durch das Schicksal. Weil man seine Heimat verlassen will. Oder muss. «Ausländer» ist kein selbstbestimmter Begriff. Die anderen nennen einen so. Es ist auch ein Kampfbegriff.

Ausländer zu sein, ist die einzige Gemeinsamkeit, die die unterschiedlichen Menschen verbindet, die wir hier zur Durchsetzungs-Initiative befragt haben. Es erklärt auch, warum sie mehrheitlich gleicher Meinung sind und Ja stimmen würden, wenn sie dürften. Sie leiden darunter, wenn andere Ausländer kriminell sind. Leute, mit denen sie nichts zu tun haben.

Dass sie sich überhaupt abgrenzen müssen, weil sie als Ausländer unter Generalverdacht stehen – das haben sie zum grossen Teil der SVP zu verdanken. Sie bewirtschaftet das Thema seit Jahren aggressiv. Das ist die politische Perversion in dieser Debatte: Die SVP erntet von Ausländern Unterstützung für die Verachtung, die sie gegenüber Ausländern schürt.

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