Keine Überraschung, könnte man meinen. Ein Resultat, das ziemlich genau den letzten Umfragen entspricht. Für einmal kein hämisches «Die Demoskopen sind die grossen Verlierer des Abends».
Aber das wäre die Froschperspektive. Betrachten wir das Resultat mit dem Abstand einiger Monate, ist es eine Sensation: eine Pleite für die Rechtspopulistin Marine Le Pen, ein Debakel für die Konservativen – und ein Wunder für Liberale und Europa-Freunde.
Tatsächlich, die Sozialisten von François Hollande fuhren ein Ergebnis ein, von dem sie sich womöglich nie mehr erholen. Aber das erstaunt nach der Amtszeit dieses Präsidenten keinen. Nur profitierte davon nicht Le Pen. Dabei führte die Chefin des Front National die Umfragen seit Jahren an, oft mit über 30 Prozent. Den Spitzenplatz für die Endrunde 2017 schien ihr niemand nehmen zu können.
Die Frage war stets nur: Wer verhindert sie? Und die Antwort lautete immer: die Republikaner, die Partei von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy. Mit welchem Kandidaten auch immer. Nun verpatzte Fillon diese historische Chance. Und Le Pen landet bei gerade noch 22 Prozent.
Sie rutschte gerade noch in die Endrunde. Der erwartete Schwung fürs Finale bleibt aus. Und mit Emmanuel Macron hat sie einen Politiker gegen sich, der auf Wirtschaftsreformen setzte, auf Europa, auf die liberale Gesellschaft. Der die Stadien füllte und doch dem Populismus abschwor. Und damit gewann. Ohne Hilfe eines unerwarteten Skandals wird es schwierig für Marine Le Pen.
Ein halbes Jahr nach Donald Trumps Wahl zeigt sich also: Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Abschottung sind nicht unvermeidlich. Und, für uns Schweizer nicht unwichtig: Die EU ist noch lange nicht am Ende.