Vor sieben Monaten wurde ein Reihenfamilienhaus in Oberhofstetten, einem Quartier ausserhalb von St. Gallen, zwangsversteigert. Es ist ein unscheinbares Haus, mit einer fraglichen Fassadenfarbe – doch es hat eine spannende Geschichte. Auch Bogdan Todic, Leiter des Betreibungsamts St. Gallen, sagt: «Das habe ich noch nie erlebt».
2019 wurde es von der Immobilienfirma Kapitell Immo AG gekauft. Der Plan? Das Haus sollte umgebaut und renoviert werden, um bald ein Zuhause für eine neue Familie zu bieten. Der Umbau wurde jedoch nie abgeschlossen. Somit fehlen laut Angaben des städtischen Betreibungsamts eine Küche, das Bad, Verputz und der Bodenbelag. Bewohnt hat es in dieser Zeit folglich niemand. Das sagen auch Nachbaren, wie aus einem Bericht des «Tagblatt» hervorgeht. Die Kapitell Immo AG verpasste es jedoch nicht nur, den Umbau fertigzustellen, sondern auch den Hypothekarzins zu bezahlen. Daraufhin wurde das Haus im August vergangenen Jahres zum ersten Mal zwangsversteigert.
Haus war nach 30 Sekunden verkauft
Die Versteigerung sollte sich als Enttäuschung für die versammelten Interessenten und Schaulustigen herausstellen: Nach gerade einmal 30 Sekunden war das Spektakel im «Einstein Congress» in St. Gallen vorbei – nur ein einziges Gebot ging ein. Die Harzbüchlel Immo AG schickte einen Anwalt in ihrem Namen, der das knapp 25 Jahre alte Haus kaufte. Und zwar für einen Betrag, den keiner überbieten wollte – 1,25 Millionen Franken. Das ist deutlich über dem geschätzten Marktwert. Der liegt nur bei etwa 1,07 Millionen.
Lange gehörte das Reihenhaus der Firma jedoch nicht – denn nach der Anzahlung von 100'000 Franken wurde der Restbetrag nie beglichen. Die fehlenden 1,15 Millionen wurden in der angegebenen Zeitspanne von einem Monat dem Betreibungsamt nicht überwiesen. Todic wies daraufhin auf ein interessantes Detail hin: Die beiden Immobilienfirmen teilen dieselbe Adresse: Angensteinerstrasse 6 in Reinach BL. Das mag verdächtig scheinen, Todic betont aber im Rückblick auf die Versteigerung: «Rechtlich ist alles absolut korrekt abgelaufen».
Achtung Verwirrung!
Daraufhin recherchierte das Tagblatt: Es stellte sich heraus, dass beide Immo-Firmen Verbindungen zu einem Unternehmer haben. Dieser unterschrieb 2019 den Kaufvertrag für das Haus im Namen der Kapitell Immo AG und hatte 2023 als einziger Verwaltungsrat der Harzbüchel Immo AG die komplette Kontrolle über die Geschäfte der Firma – die das Haus später ersteigerte. Auf Nachfrage des Tagblatts äussert sich ein Treuhänder, der bei der Kapitell Immo AG als einziger Verwaltungsrat eingetragen ist – und streitet jegliche Beziehungen der beiden Firmen ab.
Daraufhin meldete sich der Medienanwalt des Unternehmers: Sollte etwas falsch dargestellt werden, würden darauf rechtliche Konsequenzen folgen. Der einzige Grund für die identische Adresse der beiden Immobilienfirmen seien die geteilten Aktionäre. Wieso die Harzbüchel Immo AG das Haus erwarb, dann aber nicht bezahlte, kommentierte der Anwalt nur mit: «Die Aktionäre der Kapitell Immo AG haben entschieden, das Haus über die Kapitell Immo AG zu halten». Wieso die Kapitell Immo AG den Hypothekarzins dann ursprünglich nicht bezahlt hat, bleibt unklar.
Betreibungsamt verlangt 30'000 Franken
Was klar ist: Die andere Immobilienfirma, die Harzbüchel Immo AG, hat den Kaufpreis nicht bezahlt. Laut Schätzungen des Betreibungsamtleiters Todic wird die Firma nun für den entstandenen finanziellen Verlust etwa 30'000 Franken zahlen müssen. Laut Todic würde der Betrag von den angezahlten 100'000 abgezogen werden, die übrigbleibenden 70'000 gehen zurück an die Harzbüchel Immo.
Die zweite Versteigerung findet am 5. März statt. Todic hofft, dass die interessierten Familien, die bereits letzten August zur Versteigerung kamen, wiederkommen werden. Eingeladen wurden sie vom Betreibungsamt persönlich – dieses bedauert die Situation und hofft, eine Familie kann das Haus mit der grünen Fassade bald ihr Zuhause nennen. (zun)