Für die Gartenpächter gilt eine Ausnahmeregelung von den immer noch bestehenden Grenzkontrollen. Dementsprechend dürfen sie nur über die Grenze, wenn sie eine ausgefüllte Selbstdeklaration und den Pachtvertrag für ihren Garten vorweisen können.
Johannes Kumm hat es am Samstag morgens um 7 Uhr gleich ausprobiert. Die Grenzwächter hätten die notwendigen Papiere und auch seinen Ausweis genau kontrolliert, sagte er. Schliesslich durfte er nach vielen Wochen wieder in seinen inzwischen völlig verwilderten Garten. Er hat lange dafür gekämpft und sogar Unterschriften gesammelt.
Jetzt habe das Gras hüfthoch gestanden und er habe erst einmal zwei Stunden gemäht, erzählte er. Die meisten Gärten sähen wüst aus. Eine Ausnahme bilden nur die Parzellen, auf denen Schweizer Freunde die Pflege übernommen hätten.
Das Gebiet Tägermoos ist ein Kuriosum. Es befindet sich im Kanton Thurgau, liegt also auf Schweizer Seite, die dortigen Grundstücke gehören aber zum grössten Teil der Stadt Konstanz, die wiederum auf der deutschen Seite liegt. Ein Staatsvertrag regelt, dass das Gebiet staatsrechtlich zur Schweiz gehört, Konstanz übt aber bestimmte Verwaltungsaufgaben aus.
Das Areal wird für den Gemüseanbau und für Kleingärten genutzt und letztere sorgten in den vergangenen acht Wochen für Verdruss. Denn die Schweizer Behörden verweigerten den rund 400 Konstanzer Schrebergärtnern die Einreise und damit das Bestellen ihrer Gärten.
Der Konstanzer Oberbürgermeister und auch Stellen auf Schweizer Seite bemühten sich um eine Ausnahmebewilligung. Das Staatssekretariat für Migration in Bern liess sich jedoch nicht erweichen und teilte Anfang Mai mit, die Pflege von Kleingärten sei kein Härtefall im Sinne der Covid-19-Verordnung. Gras und Unkraut wuchsen ungehindert weiter.
Nach langem Warten gab es nun doch noch grünes Licht für die Kleingärtner. Sie dürfen wieder in ihre Gärten im Tägermoos oder Döbeli. Dass der abgebaute Grenzzaun jedoch noch keine Normalität bedeutet, zeigte sich am Samstag, als ein Team des deutschen Fernsehsenders ZDF den Grenzübertritt eines Kleingärtner-Paares filmen wollte.
Unmissverständlich forderte ein Grenzwächter, das Löschen der Aufnahmen. Dafür brauche es eine Aufnahmegenehmigung, sagte er. Obwohl sich das Fernsehteam auf deutschem Boden befand. Auch ein Kleingärtner, der sich erkundigte, ob er seine Dahlienknollen denn mit über die Grenze nehmen dürfe, erhielt eine Abfuhr.
Weiterhin nicht erlaubt ist auch der Einkaufstourismus. Zoll, Bundespolizei und Grenzwacht haben ein wachsames Auge, auch auf die kleinen Grenzübergänge. Zwar sind in der Innenstadt von Konstanz schon wieder einige Autos mit St. Galler-, Thurgauer-, Zürcher- oder Zuger-Autokennzeichen zu sehen, doch die Parkhäuser sind halbleer.
Die vollständige Grenzöffnung ist auch erst ab 15. Juni geplant, und offensichtlich hält sich die überwiegende Mehrheit an die geltenden Vorgaben. Vorsorglich haben die Hauptzollämter Singen und Lörrach bereits am Freitag darauf hingewiesen, dass weiterhin keine Ausfuhrkassenzettel abgestempelt werden.
Kann es den einen nicht schnell genug gehen mit der Rückkehr der Normalität, bedeuten die zurzeit geltenden Einschränkungen für manche Menschen ein Stück mehr Lebensqualität. So etwa für Bernhard L., der mehrere Stammzelltransplantationen hinter sich hat, und dessen Immunsystem geschwächt ist.
Er freue sich über die Grenzöffnung, sagte er gegenüber einer Korrespondentin der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Er verliere damit aber ein Stück Freiheit, denn zu normalen Zeiten könne er wegen des dichten Gedränges, das dann herrscht, beispielsweise nicht ins grosse Lago-Einkaufszentrum. Jetzt sei dies möglich. «Alles ist eine Frage der Perspektive», sagte er.
(SDA)