Auf Schweizer Baustellen ist in Zeiten der Corona-Krise das Social Distancing schwer durchsetzbar, die Bauarbeiter sitzen in den Baracken eng aufeinander, vielerorts gibt es keine oder ungenügende sanitäre Anlagen. Oft fehlt ein Desinfektionsmittel, und mancherorts gibt es nicht einmal fliessendes Wasser.
«Uns erreichen stündlich Anrufe von besorgten Arbeitern», sagt Daniel Gomes. Er führt mit einem Geschäftspartner in Regensdorf ZH ein Temporärbüro und vermittelt Bauarbeiter an bekannte Bauunternehmer. Namen will Gomes keine nennen, aber: «Was wir so hören, ist traurig.»
Mancherorts nur 1 Toilette für 100 Mann
Manchmal müssten sich bis zu 100 Bauarbeiter eine einzige Toilette teilen. Und diese werde nur einmal wöchentlich gereinigt. Das Coronavirus könne sich auf Baustellen so rasend schnell verbreiten, meint Gomes.
Bei BLICK meldeten sich zahlreiche Handwerker aus der ganzen Schweiz, die von ähnlich schlimmen Zuständen berichten. «Ein WC für 20 Handwerker, es hat kein Desinfektionsmittel, und das Toitoi wird nur einmal die Woche geleert», schreibt ein Bauarbeiter und sendet ein Foto. Auch unschön seien die Zustände bei einer Implenia-Baustelle «Wolkenwerk» in Zürich-Oerlikon, meldet ein Arbeiter. «Es hat keine Seife und kein Desinfektionsmittel.»
Spontaner Augenschein nicht erwünscht
Bei einem Spontanbesuch wird BLICK von der Security abgewimmelt und nicht auf die Baustelle gelassen. Erst drei Stunden später wird Eintritt gewährt. Von den unschönen hygienischen Zuständen, wie sie die Beweisfotos des Leser-Reporters zeigen, ist nichts mehr zu sehen. Wurden die Mängel kurzerhand beseitigt?
Überall steht Desinfektionsmittel, sogar eine Mundschutz-Box wurde hingestellt. Das Toilettenhaus, das ein Bauarbeiter ohne Seife und total verschmutzt fotografiert hatte, ist nun blitzsauber. Ein grosser Eimer Flüssigseife wurde hingestellt. Auch die Toitois würden neu zweimal pro Woche gereinigt, sagt Projektleiter Adrian Halter – vorher war es nur einmal.
Implenia bessert nach
Als BLICK Implenia mit den Fotos konfrontiert, nimmt Mediensprecher Silvan Merki Stellung: «Die Ordnung und Sauberkeit auf den Baustellen nehmen wir ernst. Aktuell reinigen wir die sanitären Anlagen öfters, füllen den Seifenbestand in kürzeren Abständen auf und stellen Desinfektionsmittel zur Verfügung. Auch in diesem Container achten wir darauf und haben das umgehend korrigiert.»
Es geht auch anders. Zweihundert Meter weiter realisiert die Bauunternehmung Marti AG direkt neben dem SRF-Studio ein Projekt. Als BLICK anklopft, dürfen die WCs sofort besichtigt werden. Es ist geputzt, hat fliessend Wasser, die Seife ist aufgefüllt. Ein Bauarbeiter berichtet, dass die Toiletten täglich gereinigt würden.
Desinfektionsmittel ist bei den Baubaracken seit dem Ausbruch des Coronavirus fest installiert. Polier Giovanni Scarpone darf reden und sagt: «Die sanitären Anlagen sind bei uns immer gut, nicht nur seit Corona.» Zusätzlich habe man Informationen in allen Sprachen aufgehängt, damit sie auch jeder Arbeiter versteht. In den Baracken gäbe es genügend Platz, sodass die Arbeiter in der Pause versetzt sitzen können.
Auch Desinfektionsmittel sollten gefordert sein
«Das ist definitiv nicht überall so vorbildlich», weiss Gomes. Er fordert, dass zumindest die Hygienevorschriften verschärft werden müssen. «Beim Zutritt auf die Baustelle wird kontrolliert, ob jeder Stahlkappenschuhe und Helm trägt. Neu sollte auch sichergestellt werden, dass jeder Arbeiter ein Desinfektionsmittel mitführt. Und die Bauleitung müsste die Toiletten täglich reinigen lassen.»
Gomes zur Arbeitssicherheit: «Ob ein Bauarbeiter von einer Betonplatte erschlagen wird oder am Coronavirus stirbt – beides läuft auf dasselbe hinaus.»