Kiew
Gegenoffensive rückt weiter vor - Selenski will Grenze stärken

Die ukrainische Gegenoffensive kommt nach Angaben der Armee voran. Die Ukraine meldete am Freitag Teilerfolge im Süden des Landes, das Institut für Kriegsstudien (ISW) in Washington beobachtete auch ein Vorrücken der Truppen auf Bachmut im Osten.
Publiziert: 30.06.2023 um 16:59 Uhr
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Aktualisiert: 20.07.2023 um 21:40 Uhr
Ein Militärlastwagen der ukrainischen Armee unterwegs an der Frontlinie in der Nähe von Bachmut. Foto: Alex Babenko/AP
Foto: Alex Babenko

Der ukrainische Oberbefehlshaber Walerij Saluschni forderte in einem Interview der «Washington Post» Geduld für die laufende Gegenoffensive: «Das ist keine Show, bei der die ganze Welt zuschaut und Wetten abschliesst», sagte er der Zeitung. Jeder Tag und jeder Meter würden mit Blut erkämpft.

Wegen Spekulationen über russische Wagner-Söldner in Belarus beauftragte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj General Saluschnyj und den für den Grenzabschnitt zuständigen Generalleutnant Serhij Najew mit der Verstärkung der Nordgrenze seines Landes.

Die Ukraine verteidigt sich bereits seit mehr als 16 Monaten gegen einen Angriffskrieg des Nachbarlandes Russland.

Ukraine meldet «Teilerfolge» bei Offensive im Süden

Im Rahmen ihrer Gegenoffensive hat die ukrainische Armee nach eigenen Angaben im südlichen Gebiet Saporischschja weitere «Teilerfolge» erzielt. Die Truppen setzten sich aktuell auf den neu erreichten Positionen südlich von Orichiw fest, teilte der Generalstab am Freitag bei Facebook mit. Auch an anderen Abschnitten in dem Gebiet sollen russische Truppen zurückgedrängt worden sein.

Am Freitagvormittag beschoss die ukrainische Armee ausserdem eigenen Angaben zufolge die besetzte südukrainische Hafenstadt Berdjansk. Das Armee-Kommando will dabei einen russischen Offiziersstab und ein Treibstofflager getroffen haben. Russische Besatzer sprachen derweil vom Abschuss mehrerer «Storm Shadow»-Raketen.

Ostukraine: Kiew rückt weiter in Richtung Bachmut vor

Die ukrainischen Armee habe nach Angaben des Generalstabs auch die «strategische Initiative» in Richtung Bachmut in der Ostukraine ergriffen, schrieb das US-amerikanische ISW am Donnerstag (Ortszeit) in seinem täglichen Bericht. Nachdem die Stadt im Mai von Moskau erobert wurde, gebe es nun Anzeichen dafür, dass die Ukraine dort ihre Offensive trotz harter Kämpfe weiter ausbaue.

In anderen Gebieten der Ostukraine setze die russische Armee dem ukrainischen Generalstab zufolge derweil ihre Angriffe fort: Bei den Ortschaften Marjinka und Awdijiwka im Donezker Gebiet, sowie bei Rosdoliwka und Bilohoriwka in der benachbarten Luhansker Oblast soll es zu Zusammenstössen gekommen sein. Entlang der Frontlinie gebe es dazu weiterhin Artilleriebeschuss und Angriffe der russischen Luftwaffe. Konkrete Angaben zu befreiten Ortschaften machte das ukrainische Militär nicht. Die Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen.

Oberbefehlshaber Saluschnyj: Ukrainische Gegenoffensive keine Show

Die russischen Luftangriffe beschäftigten auch den ukrainischen Oberfefehlshaber Saluschnyj. In einem Interview beklagte er das Fehlen westlicher Kampfflugzeuge, was den ukrainischen Vormarsch verlangsame. «Viele Menschen sterben jeden Tag - viele. Das nur, weil keine Entscheidung getroffen wurde», sagte der General im Gespräch mit der «Washington Post». Gleichzeitig mahnte er zur Geduld bei der laufenden Gegenoffensive. Dies sei keine Show bei der man zuschaue und Wetten abschliesse, so der Oberbefehlshaber. Die ukrainische Armee rücke stetig vor, doch jeder Meter werde mit Blut erkämpft.

Der Aufstand russischer Wagner-Söldner habe dagegen keine Auswirkungen auf das Frontgeschehen gezeigt, da diese bereits seit Anfang Juni nicht mehr an der Frontlinie stehen. «Wir haben nicht gespürt, dass ihre Verteidigung irgendwo oder irgendwie schwächer wurde», unterstrich Saluschnyj.

Russlands Aussenminister Sergej Lawrow tat den Söldneraufstand derweil als einen «Schlamassel» ab. «Russland ist aus allen möglichen Schlamasseln - und man kann dies schwer mehr als einen Schlamassel nennen - stärker und stabiler herausgekommen», sagte Lawrow am Freitag russischen Medien zufolge. Den Western forderte er auf, sich aus innerrussischen Angelegenheiten herauszuhalten.

Ukraine verstärkt Grenzschutz zu Belarus wegen Wagner-Söldnern

Die Wagner-Söldner spielen dennoch weiter eine Rolle im ukrainischen Kriegsverlauf. Wegen Spekulationen über ihre Präsenz in Belarus soll die Ukraine mit einer Verstärkung des Grenzschutzes im Norden begonnen haben. Oberbefehlshaber Saluschnyj und der für den Nordabschnitt zuständige Generalleutnant Najew seien damit beauftragt worden, teilte Präsident Selenskyj am Freitag bei Telegram mit.

Zuvor hatte das Nato-Mitgliedsland Polen ebenso angekündigt, die Schutzmassnahmen an der bereits durch einen Zaun gesicherten EU-Aussengrenze zu Belarus zu verstärken. Unbestätigten Informationen zufolge soll nach der gescheiterten Meuterei vom Wochenende ein Teil der mehrere Tausend Mann starken Söldnertruppe in Belarus unterkommen. Bis Juni hatten die Wagner-Söldner in der Ostukraine gekämpft und dabei für Moskau die Städte Soledar und Bachmut erobert.

Polens Geheimdienst nimmt russischen Eishockeyspieler fest

Wegen des Verdachts auf Spionage hat Polens Geheimdienst einen russischen Eishockeyspieler festgenommen. «Die russischen Spione fliegen einer nach dem anderen auf!», teilte Justizminister Zbigniew Ziobro am Freitag per Twitter mit. Der Profi-Sportler sei das 14. Mitglied eines russischen Spionagerings, den Polens Geheimdienst festgenommen habe. Der Eishockeyprofi wurde bereits am 11. Juni in Schlesien verhaftet, wie die zuständige Staatsanwaltschaft der Nachrichtenagentur PAP sagte. Nach Angaben der Ermittler hielt sich der Sportler seit Oktober 2021 in Polen auf, für seine Spionagetätigkeit sei er regelmässig bezahlt worden.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Tätigkeit für einen fremden Geheimdienst zum Schaden Polens - das Spionagenetzwerk soll vor allem das polnische Eisenbahnnetz ausgespäht haben.

EU-Staaten fordern von China Kehrtwende in Russland-Politik

Die EU-Staaten verlangen von China einen klaren Einsatz für ein Ende des Krieges in der Ukraine. «Wir fordern China auf, gegenüber Russland darauf zu dringen, dass es seinen Angriffskrieg stoppt und seine Truppen unverzüglich, vollständig und bedingungslos aus der Ukraine abzieht», heisst es in einer am Freitag in Brüssel veröffentlichten Gipfelerklärung der Staats- und Regierungschefs. Als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates trage das Land eine besondere Verantwortung bei der Aufrechterhaltung der regelbasierten internationalen Ordnung sowie der UN-Charta und des Völkerrechts. Bislang hat China die Invasion Russlands in der Ukraine nicht verurteilt, sondern Präsident Wladimir Putin Rückendeckung gegeben.

Bereits am ersten Tag des EU-Gipfels in Brüssel hatten die EU-Staaten der Ukraine ihre weitere Unterstützung zugesagt.

(SDA)

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