SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi (ZG) argumentierte vor der Wahl vergebens für die Abwahl des eigenen Richters. «Jede Partei hat das Recht, ihren Richter nicht mehr zu wählen.» An einem Hearing sei klar geworden, dass seine Werthaltung nicht mit der Werthaltung der SVP übereinstimme. Die SVP wolle die Verantwortung für Yves Donzallaz nicht mehr tragen. «Wählen Sie ihn, tragen Sie die Verantwortung.»
Die anderen Fraktionen kritisierten das Vorgehen der SVP scharf. Andrea Gmür-Schönenberger von der Mitte-Fraktion (CVP/LU) erklärte, die Partei missachte das Prinzip der Gewaltenteilung. Bundesrichter Donzallaz habe sich nichts zu schulden kommen lassen. Dass er nun von seiner Partei öffentlich abgestraft werde, sei unzulässig.
Und Tiana Moser (GLP/ZH) hielt fest, dass die SVP mit ihrem Vorgehen an den Grundfesten des Rechtsstaates rüttle. Die SVP stelle die Unabhängigkeit aller Bundesrichter infrage. Ausser der SVP unterstützten schliesslich alle Fraktionen die Wahl Donzallaz'. Er wurde mit 177 von 239 gültigen Stimmen gewählt. Die SVP-Fraktion stimmte geschlossen dagegen.
Wegen des Rücktritts von Bundesgerichtspräsident Ulrich Meyer (SP) wurde neben den 37 bisherigen auch ein neuer Bundesrichter gewählt. So wird Christoph Hurni (GLP) als ordentlicher Richter Meyer ersetzen. Hurni wurde mit 232 von 233 gültigen Stimmen gewählt.
Die Vereinigte Bundesversammlung wählte die Bundesrichter für die Amtsperiode 2021-2026.
Zum ausserordentlichen Bundesanwalt wurde Stefan Keller gewählt - mit 220 von 223 gültigen Stimmen. Seine Wahl war unbestritten. Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft und die Gerichtskommission von National- und Ständerat unterstützten seine Wahl.
Keller hatte zuvor als ausserordentlicher Staatsanwalt die Aufhebung der Immunität von Bundesanwalt Michael Lauber durchgesetzt. In seiner Funktion soll er gegen Lauber, Fifa-Präsident Gianni Infantino und den Walliser Oberstaatsanwalt Rinaldo Arnold ermitteln.
Der Antrag der SP-Fraktion, die Wahlen auf die Wintersession zu verschieben, blieb chancenlos. SP-Ständerat Daniel Jositsch (SP/ZH) argumentierte vergeblich, dass die Abwahlempfehlung eines SVP-Richters, der nicht mehr genehm sei, die Frage stelle, ob die anderen SVP-Richter unabhängig arbeiten könnten.
«Wer Entscheidungen trifft, die der SVP zuwiderlaufen, wird nicht mehr gewählt. Wie sollen wir verantworten können, Richter zu haben, die nicht unabhängig entscheiden, sondern primär im Sinne der Partei?»
Die SP-Fraktion verlangte, dass die Gerichtskommission bis zur Wintersession nachweist, dass die Zweifel an der Unabhängigkeit gewisser Bundesrichterinnen beziehungsweise Bundesrichter gegenüber allfälligem Druck von politischen Parteien unbegründet sind.
Ständerat Andrea Caroni (FDP/AR), Präsident der Gerichtskommission, konnte einer solchen Prüfung wenig abgewinnen: «Welcher Richter würde schon zugeben, dass er seine Urteile nach Gutdünken der Partei fällt. Die Gerichtskommission empfiehlt Ihnen die Wahlen durchzuführen.»
Und FDP-Fraktionspräsident Beat Walti (ZH) ergänzte, dass die SP mit ihrem Antrag suggeriere, dass jeder der zur Wahl stehenden Bundesrichter unter Verdacht stehe, nicht unabhängig Gerichtsurteile zu fällen.
Auch die anderen Fraktionen lehnten schliesslich den Antrag der SP-Fraktion ab. Mit 199 zu 42 Stimmen bei 6 Enthaltungen war der Vorstoss chancenlos.
Und schliesslich haben die Mitglieder von National- und Ständerat das Begnadidungsgesuch eines Tschechen, der wegen Betrugs und Geldwäscherei verurteilt worden ist, abgelehnt.
Die Begnadigungskommission hatte der Vereinigten Bundesversammlung einstimmig empfohlen, das Gesuch abzulehnen. Dass die Bundesversammlung über eine Begnadigung entscheidet, kommt selten vor - zuletzt 2008.
(SDA)