«Die Fraktion hat mit Akklamation beschlossen, mit Regula Rytz in den Kampf um einen Sitz im Bundesrat zu ziehen», sagte der Zürcher Nationalrat und Fraktionspräsident Balthasar Glättli (ZH) im Anschluss an eine Fraktionssitzung vom Freitag.
Die Mitglieder seien sich einig gewesen, sie sei die stärkste und beste Kandidatin. Sie habe Exekutiverfahrung und kenne sich in Bundesbern aus. Der 20. Oktober sei ein Umbruch gewesen. Er habe die Schweiz und die Parteienlandschaft verändert. «Heute treten wir an, weil wir es ernst meinen», sagte Glättli. «Wir finden, dass die Wahlen Konsequenzen haben müssen.»
Der Angriff gelte einem Sitz eines FDP-Bundesrates. «Es geht uns nicht um eine bestimmte Person, sondern um die Übervertretung der FDP», sagte Glättli. Auch Rytz betonte, ihre Kandidatur richte sich nicht gegen eine bestimmte Person. In der Abfolge der Wahl sei aber zuerst Aussenminister Ignazio Cassis an der Reihe.
«Wenn man den ersten Sitz angreift, überlässt man den Entscheid der Partei, wen sie ins Rennen schicken will für den verbleibenden Sitz», erklärte Glättli. Einen Angriff auf Justizministerin Karin Keller-Sutter schliessen die Grünen derzeit nicht aus, doch haben sie noch nicht darüber entschieden.
Glättli machte hingegen klar, dass die Grüne Partei nicht für Spielchen zur Abwahl eines SP-Bundesrats oder einer SP-Bundesrätin, aber auch nicht für die Abwahl einer CVP-Bundesrätin zu haben ist. Es sei auch beschlossen worden, keinen SVP-Sitz anzugreifen.
Eine einvernehmliche Einigung mit den anderen Parteien auf eine neue Zauberformel sei leider nicht möglich gewesen, sagte Glättli weiter. Stabilität bewahren heisse aber, die Zauberformel anzupassen, nämlich zwei Sitze für die beiden stärksten Parteien und je einen für die drei nächstgrösseren Parteien.
Grünen-Präsidentin Rytz steht den anderen Fraktionen am 3. und 10. Dezember für Hearings zur Verfügung. Die Geschäftsleitung der Partei will nächste Woche über das Einsetzen eines Interimspräsidiums entscheiden.
Die FDP will ihre beiden Bundesratssitze verteidigen. Sie will auch sämtliche anderen amtierenden Bundesratsmitglieder unterstützen, wie Fraktionspräsident Beat Walti (ZH) sagte: «Es gibt keinen Grund, ein Mitglied der Landesregierung in der aktuellen Situation nicht wiederzuwählen.» Die Schweiz habe ein erfolgreiches, stabiles System. «Wir können das nicht kurzfristig über den Haufen werfen.»
Der neue Vize-Fraktionspräsident Olivier Feller (VD) machte klar, dass es keine Hearings mit grünen Kandidierenden geben werde. Eine Anpassung der Zauberformel sei nicht ausgeschlossen, aber sicher nicht sofort. «Wir verneinen den Erfolg der Grünen nicht. Aber er muss zuerst bestätigt werden», sagte Feller.
FDP-Präsidentin Petra Gössi (SZ) sagte, es könne nicht sein, dass nach jeder Wahl eine mathematische Berechnungsformel herangezogen werde. Dies hätte nach jeder Wahl Veränderungen zur Folge, und die Bundesräte würden sich in einem ständigen Wahlkampf befinden. Das wolle niemand.
Gössi wies auch auf die Leistungsausweise von Bundesrat Ignazio Cassis und Bundesrätin Karin Keller-Sutter hin - und betonte, die FDP sei in den Kantonen die Nummer eins.
Ob der Angriff der Grünen erfolgreich sein wird, hängt von den anderen Parteien ab. Die CVP-Fraktion will am morgigen Samstag über die Zusammensetzung des Bundesrats diskutieren. In der Sitzung vom Freitag sei die Bundesratswahl kein Thema gewesen, sagte Fraktionspräsident Filippo Lombardi (TI). Fraktionsmitglieder äusserten sich jedoch skeptisch zur Abwahl amtierender Bundesräte.
Die SVP teilte nach ihrer Fraktionssitzung mit, sie stelle sich hinter die heutige Konkordanz, falls sich die anderen Regierungsparteien daran hielten. Ein grüner Bundesrat komme frühestens bei den nächsten Gesamterneuerungswahlen in Frage, «sofern sich die Wählerstärke der Grünen in vier Jahren bestätigt". Der Angriff der Grünen sei auch insofern unverständlich, als dass die Bundesverfassung eine regionale Verteilung im Bundesrat verlange.
Am Vortag hatte SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (ZG) gesagt, er wolle seiner Fraktion beantragen, den SP-Sitz von Bundesrätin Simonetta Sommaruga anzugreifen. Rytz hatte allerdings vor den Medien erklärt, dass sie eine Wahl auf Kosten der Berner SP-Bundesrätin nicht annehmen würde.
«Die aktuelle Situation zwingt alle Parteien dazu, nach einer stabilen Lösung zu suchen», sagte SP-Präsident Christian Levrat (FR) der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Es dürfe nicht sein, dass jede Partei riskiere, bei einem Bundesratsrücktritt einen Sitz zu verlieren, «sonst kann sich niemand mehr bewegen.» Derzeit liefen viele Gespräche. Levrat bekräftigte im weiteren die Aussage des Vortags: Die Kandidatur der Grünen sei eine logische Folge der Wahlen.
(SDA)