Die Szenen wie aus einem Wild-West-Film haben sich am 27. Dezember 2015 an der Birmensdorferstrasse in Zürich-Wiedikon zugetragen. Der damals 42-jährige Äthiopier Omar M. fuchtelt mit einem Fleischermesser in der Hand herum. Die beiden Zürcher Stadtpolizisten Markus P. * und Peter F.* wollen den Messer-Mann festnehmen (BLICK berichtete). Zusammen mit einer weiteren Streife - insgesamt waren fünf Polizisten vor Ort - sollte der aus Äthiopien stammende Mann angehalten und kontrolliert werden.
Doch erst nach 13 Schüssen aus den Dienstwaffen von P. und F. konnte Omar M. gestoppt werden. Insgesamt elf Schüsse kamen aus der Pistole von Markus P. Im Dezember 2016 stand Messer-Fuchtler Omar M. vor vom Bezirksgericht Zürich. Er war wegen versuchten schweren Körperverletzung angeklagt – wurde jedoch freigesprochen. Der Mann leidet an einer schizophrenen Psychose und war zum Tatzeitpunkt schuldunfähig. Das Bezirksgericht ordnete - wie dies die Staatsanwaltschaft beantragt hatte - eine ambulante Therapie an.
«Er lag auf mir, mit dem Messer in der Hand»
Anlässlich des Prozesses gegen den Messer-Mann hatten sich die beiden Polizisten gegenüber BLICK zum Vorfall geäussert. «Omar M. stand fünf Meter von mir entfernt, rannte auf mich zu», sagt Markus P. Dabei soll Omar M. gerufen haben: «Kill me, kill me!» Sein Kollege Peter F. schiesst zweimal. Trotzdem stürmt der Äthiopier weiter – und geht zusammen mit einem der beiden Polizisten zu Boden. «Er lag auf mir, mit dem Messer in der Hand», sagt P.
Durch die Schüsse – von sechs Kugeln wurde der M. getroffen – erlitt der Äthiopier lebensbedrohende Verletzungen. Die Staatsanwaltschaft Zürich stellte das Strafverfahren gegen die beiden Polizisten im März vergangenen Jahres ein. Das Obergericht Zürich wies eine Beschwerde des Äthiopiers gegen diese Verfügung ab. Omar M. aber reichte daraufhin beim Bundesgericht Beschwerde ein. Gemäss einem am Freitag veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts hat dieses jetzt entschieden, dass die Zürcher Staatsanwaltschaft die Strafuntersuchung gegen den Stadtpolizisten weiterführen muss. Die Lausanner Richter haben die Beschwerde des Äthiopiers somit gutgeheissen.
«Vorliegend offensichtlich unklaren Beweislage»
Wie die Lausanner Richter festhalten, lässt sich anhand der «vorliegend offensichtlich unklaren Beweislage» nicht beurteilen, ob der Schusswaffeneinsatz des Hauptschützen rechtmässig war. Das Zürcher Obergericht habe die bestehenden Verdachtsmomente mittels Hypothesen verworfen.
Aus dem Urteil des Bundesgerichts geht hervor, dass Polizist Markus P. gemäss eigenen Angaben zweimal in den Torsobereich des Opfers schoss. Daraufhin sei er zurückgewichen, mit dem Rücken gegen die Stossstange des Streifenwagens gestossen und rückwärts zu Boden gefallen. Dann habe er nochmals geschossen, als sich der Mann mit dem Messer «irgendwie über ihn gebeugt habe». In der Folge sei es zu einem Gerangel gekommen.
Das Bundesgericht schreibt, es erscheine fraglich, dass der P. in diesem Gerangel weitere Schüsse abgegeben habe, da die Schussdistanz bei allen Schüssen mindestens einen halben Meter betragen haben müsse. Gegen den Äthiopier wurde ebenfalls eine Strafuntersuchung eingeleitet. Das Bezirksgericht Zürich sprach ihn im Dezember 2016 vom Vorwurf der versuchten schweren Körperverletzung frei. (rad/SDA)
*Namen geändert
**Name der Redaktion bekannt