Schulen sind in der Schweiz seit diesem Monat wieder geöffnet. Kantone haben verschiedene Corona-Massnahmen ergriffen. Unabhängig von den geltenden Regeln: Schulen und Lehrinstitute in der Schweiz seien nicht auf die kommenden Wintermonate vorbereitet. Das sagt die Virologin Isabella Eckerle, Professorin am Genfer Zentrum für neu auftretende Viruserkrankungen.
Viren sind das Leben der Epidemiologin. Zu ihren Interessen zählt Eckerle neu auftretende Viren, Tropenmedizin, Fledermäuse und Vögel – die Lebewesen, von denen Coronaviren auf Menschen überspringen. Jetzt warnt Eckerle davor, dass die Schweiz gerade bezüglich des Schutzes von Kindern in Schulen nicht weitsichtig plane. Im Januar informierte die Wissenschaftlerin noch an der Seite von Mister Corona Daniel Koch, dem damaligen Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG). Jetzt übt sie Kritik an den zuständigen Bundesbehörden.
«Schweiz ist nicht gut vorbereitet»
«Die Schweiz ist nicht gut vorbereitet», schreibt Eckerle auf Twitter. «Präventionsmassnahmen variieren von Kanton zu Kanton und Schule.» Es gebe keine nationale Strategie oder Anleitungen. «Schlimmer noch», so Eckerle: Tests bei Kindern jünger als zwölf seien «inkonsistent».
Die Wissenschaftlerin ist erstaunt über die Untätigkeit des Bundes. Warum würden die Behörden zu diesem so wichtigen Thema schweigen, fragt sie: «Ich bin auch sehr überrascht, dass die schweizerische Covid-Taskforce zu diesem wichtigen Thema so schweigsam ist – wo ist die Expertengruppe zu Covid-19, Kindern und Schulen?»
Verstehen, wie Kinder das Virus bekommen und verbreiten
Die prominente Virologin hat keine Zweifel: «Es wird in diesem Winter zweifellos positive Fälle in Schulen geben.» Das Risiko von Übertragungen sei zu verringern und Schulschliessungen seien zu verhindern, wenn sich die Schweiz «proaktiver» vorbereite.
Damit Schulen sicher offen bleiben können, schlägt sie ein Massnahmenpaket vor: angemessene Belüftung der Klassenzimmer und kleinere Klassen, Masken, eine Mischung aus digitalem und persönlichem Unterricht sowie feste epidemiologische Gruppen, die sich nicht vermischen. Kinder und Lehrer sollen zudem schnellen und einfachen Zugang zu Tests haben.
Die Schweiz brauche eine «nationale Strategie, die auf wissenschaftlichen Daten basiert und von wissenschaftlichen Studien begleitet wird», fordert Eckerle. Kinder seien in aktuellen Studien «unterrepräsentiert», weil sie vorwiegend milde Erkrankungssymptome aufwiesen. «Das wahre Ausmass der Anfälligkeit und Übertragung im Vergleich zu Erwachsenen ist noch unklar», sagt Eckerle. «Aber Kinder können das Virus bekommen und übertragen.» (kes)