Der zu Lebzeiten notorisch erfolglose Friedrich Glauser inspiriert die Schweizer Literatur seit vielen Jahren. Seine Krimis sind immer wieder Vorbild für jüngere Krimischreibende. Zu diesen gehört der Tessiner Autor Andrea Fazioli. Durch seinen Verlag Casagrande angeregt, ist er auf die «Ascona»- Fragmente gestossen, die Glauser hinterliess. Andrea Fazioli hat sich daran gemacht, ihre Handlung zu vollenden.
Zuerst sei er äusserst skeptisch gewesen, sagte Andrea Fazioli der Zeitung «La Regione». Dann aber habe seine Neugier und vor allem seine grosse Liebe zu Glauser über Zweifel und Ängste gesiegt. Das Ergebnis ist der Roman «Wachtmeister Studers Ferien» ("Le vacanze di Studer», 2020).
Auslöser für die Handlung im Roman ist die Bitte eines gewissen Cattaneo, der einem Autor namens Fazioli eine Sammlung von Texten vorlegt, damit der daraus etwas mache. Sie stammen von seinem Grossvater und beinhalten auch Notizen von einem seiner Bekannten: Friedrich Glauser. Es handelt sich dabei um die «Ascona»-Fragmente, in denen Glauser versuchte, den Mord an einer jungen Frau im Monte-Verità-Milieu um 1920 zu verankern.
Das Unterfangen, zu dem sich der fiktive Fazioli gedrängt sieht, erweist sich als äusserst komplexe Angelegenheit. Glauser hat vor allem einander widersprechende Romananfänge hinterlassen.
Wahrheit und Fiktion überlagern sich im Lauf der Recherche mehr und mehr und erzeugen eine schillernde Mixtur aus Rätsel und Auflösung, Romanfiktion und wahren Tatsachen. Dabei versucht der Autor Andrea Fazioli in seiner real-fiktiven Doppelrolle, die Lücken, die Glausers wortgetreu wiedergegebene Fragmente hinterlassen, so aufzufüllen, dass sie eine schlüssige Geschichte ergeben. Schliesslich vollendet er den verworrenen, letztlich verpfuschten Plan Glausers.
Gewitzt komponiert Andrea Fazioli aus all diesen Elementen eine vielschichtige Spurensuche, die sich beim Lesen anschaulich und spannend erschliesst. Die Recherche sticht in ein Wespennest der künstlerischen Ränke und Rankünen im Umfeld des Monte Verità. Naturschwärmerei, künstlerische Ambition und eitle Hochstapelei waren hier bunt miteinander verwoben. Glauser war davon angezogen, zugleich blieb ihm dies alles fremd.
Diesen Zwiespalt fängt «Wachtmeister Studers Ferien» schön ein. Mit einer Doppelvolte gelingt Andrea Fazioli eine abschliessende Wendung, wie sie auch Glauser im Kopf gehabt haben könnte.*
*Dieser Text von Beat Mazenauer, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.
(SDA)