Feuer an Bord der Swissair 111. Beim Absturz der MD-11 vor Halifax in Kanada kamen in der Nacht vom 2. auf den 3. September 1998 alle 229 Menschen an Bord ums Leben. Die Katastrophe versetzte die Schweiz in einen Schockzustand und beschleunigte das Ende der Swissair.
An diesem Freitag wird das traurigste Kapitel der Schweizer Zivilluftfahrt in einer grossen Dokumentation im kanadischen Fernsehen CBC neu aufgerollt. Das SF, bis vor kurzem Co-Produzent, strahlt den brisanten Film nicht aus!
Ein gezielter Anschlag?
BLICK hatte Einblick in bisher vorenthaltene Dokumente, die auf eine Bombe als Absturzursache hinweisen. Nicht ein Defekt am Bordunterhaltungssystem der MD-11 (so die offizielle Version), sondern ein Brandsatz könnte das Feuer an Bord der Unglücksmaschine ausgelöst haben. Ein gezielter Anschlag auf den Swissair-Flug mit hochkarätigen Passagieren von New York nach Genf?
Der Unfalluntersuchungsbericht der kanadischen Sicherheitsbehörde TSB von 2003, fünf Jahre nach dem Crash, sei manipuliert worden, so ein an der Untersuchung beteiligter Forensiker der kanadischen Bundespolizei RCMP. Brisante Beweisstücke seien unterschlagen worden. Und er selber sei von seinen Vorgesetzten genötigt worden, die Protokolle der kriminaltechnischen Untersuchungen zu fälschen und wichtige Beweise verschwinden zu lassen, sagt der Wissenschaftler im Dokumentarfilm des kanadischen TV-Senders CBC.
Materialien um einen Brandsatz herzustellen
Die CBC-Journalisten haben eine Festplatte mit über 6000 Dokumenten und Hunderten von Videos zugespielt erhalten und ihren Inhalt akribisch gesichtet. Darin fanden sie Berichte und Protokolle, welche die Thesen des Forensikers beweisen sollen. Darunter der Bericht eines unabhängigen Metallurgen aus Ottawa, der im Auftrag der Untersuchungsbehörden auf einem Sitz des Cockpit-Wracks geschmolzenes Aluminium mit einer erheblichen Menge Magnesium und anderen Metallen entdeckt hatte – Materialien, mit denen man einen Brandsatz herstellen kann.
Woher stammen diese Metalle? Das Feuer im Cockpit war zu schwach, um Aluminium zum Schmelzen zu bringen. Wie das Magnesium auf den Sitz kam, wurde nicht untersucht. Das einzige Teil aus Magnesium im Cockpit der MD-11 war ein Pilotenpedal, das aber unbeschädigt war.
Unbequeme Resultate
Statt die Spur eines gezielten Anschlags weiterzuverfolgen, beendete die Untersuchungsbehörde TSB die Zusammenarbeit mit dem Metallurgen sofort. Seine Resultate waren offenbar zu unbequem. Denn systematisch wurden Hinweise auf einen Terror-Anschlag oder kriminellen Akt auf Flug SR111 unterdrückt. Der Forensiker, der an der Untersuchung beteiligt war, erzählt im CBC-Film, wie er von seinen Vorgesetzten unter Androhung von Repressalien gezwungen worden sei, sämtliche Hinweise auf Magnesium-Spuren aus der kriminaltechnischen Untersuchung und den Protokollen zu eliminieren. Mehrfach habe er intern geklagt, sei aber abgeblitzt. Am Schluss habe man ihn kaltgestellt.
So befand die TSB offiziell das Bordunterhaltungssystem für schuldig am Absturz der Swissair-Maschine. Einen kriminellen Akt schloss der Untersuchungsbericht kategorisch aus. In den kilometerlangen Stromleitungen sei ein «Störungsereignis» ausgebrochen, das «flammbare Materialien im Flugzeug entzündet» habe. «Dies entfachte ein Feuer an Bord, das sich ausbreitete und verstärkte, bis es zum Verlust der Maschine und des menschlichen Lebens führte.» Es sei «höchst wahrscheinlich» ein defekter Draht des Unterhaltungssystems, der den Funken ausgelöst habe, so Hauptermittler Vic Gerden. Wo genau dieser Funken sprang, blieb offen. Eine von den Ermittlern entdeckte fehlerhafte Stelle in der Verdrahtung des Unterhaltungssystems hatte laut Gerden den besagten Funken nicht ausgelöst.
Unabhängige Forensiker sind sich aber einig, dass ein Funken in einem System von niedriger Spannung wie der Bordunterhaltung nicht ausreiche, um etwas schwer Brennbares wie die Isoliermatten zu entzünden. Diese aus schwer entflammbarem Material hergestellten Matten könnten auch nicht genügend Hitze liefern, um Aluminium zu schmelzen. Im TSB-Bericht ist von Temperaturen bis 593 Grad die Rede, Aluminium schmilzt aber erst bei 660 Grad. Wie kam also das geschmolzene Alumium auf den Pilotensitz?
Die Terroristen von 9/11 hätten es schwerer gehabt
Weil die kanadischen Behörden die Terrorversion ausschlossen, haben sie womöglich verhindert, dass die Sicherheitsbestimmungen an Flughäfen rechtzeitig verschärft wurden. Wäre der Absturz der Swissair 111 auf eine kriminelle Tat zurückgeführt worden, hätten es die Terroristen von 9/11 möglicherweise nicht so leicht gehabt.
Warum strahlt das Schweizer Fernsehen den brisanten Film nicht aus? SF-Chefredaktor Diego Yanez zu BLICK: «Es laufen Recherchen in Zusammenhang mit dem Untersuchungsbericht zum Absturz der SR 111. Die bisherigen Erkenntnisse rechtfertigen eine Publikation zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht.» CBC dagegen zeigt die aufwendig produzierte Doku am Freitag um 21 Uhr (Ortszeit) im Rahmen ihrer Oscar-gekrönten investigativen Dok-Reihe «Fifth Estate».