Brexit-Kater bei Boris Johnson
Sieht so ein Sieger aus?

Boris Johnson kämpfte an vorderster Stelle für den EU-Austritt. Er hat sein Ziel erreicht. Er scheint dennoch nicht glücklich zu sein.
Publiziert: 28.06.2016 um 17:06 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 02:58 Uhr
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Boris Johnson hat nach dem Brexit keinen Plan.
Foto: NEIL HALL
Adrian Meyer

Er hat alles gewonnen: Boris Johnson (52) ging siegreich aus der Brexit-Abstimmung hervor, und die Chancen stehen gut, dass er der nächste Premierminister Grossbritanniens wird. Doch wie ein Sieger sieht Londons Ex-Bürgermeister nicht aus.

Nach dem Brexit erwartete man, dass er jubelt und strahlt. Dass er, der die Austrittskampagne anführte, seine Vision eines Vereinigten Königreichs ausserhalb der EU darlegt. Dann kämpfte er sich am Freitag durch eine buhende Meute, gab eine kleinlaute Pressekonferenz und verabschiedete sich ins Wochenende – um Cricket zu spielen.

Johnson bringt sich in Stellung - und erntet Spott

Seit Freitag ist er nicht mehr öffentlich aufgetreten. Dass er gestern bei der wichtigen Parlamentssitzung fehlte, kam überhaupt nicht gut an. Zum Brexit äusserte er sich bloss in seiner wöchentlichen Kolumne der Zeitung «Telegraph». 

Damit wollte er sich für das Amt als Premier in Stellung bringen. Der Text war voller Halbwahrheiten – und erntete Spott. So behauptete er, die Märkte und das Britische Pfund seien stabil, obwohl beide weiter massiv verloren. Oder dass sich nicht viel än­dere im Verhältnis zur EU.

Dieser Stil ist typisch Boris. Jahrelang schrieb er als Brüssel-Korrespondent des «Telegraph» bizarre Anekdoten über EU-Bürokraten. Seinen Job bei der «Times» verlor er wegen eines erfundenen Zitats.

Später, als Bürgermeister von London, wurde «Boris» Kult: Wie er mit schiefem Helm und in Socken gesteckter Anzugshose auf dem Velo durch London kurvte oder mit zerzaustem Blondschopf in die Kamera grinste. Seine flapsige Art, seine Selbstironie verschaffte ihm Sympathie quer durch alle Schichten. Unvergessen, wie er vor vier Jahren bei den Olympischen Spielen in London mitten in einer Seilrutsche hängen blieb. Der PR-Gau machte Johnson bloss beliebter.

Nun ist die Stimmung eine andere, die Briten sind raus aus der EU – und Johnson ist massgeblich dafür verantwortlich. Doch er hat nicht die Lacher auf seiner Seite, sondern den Zorn von Millionen. Der einstige Clown wird zum meistgehassten Mann des Königreichs.

Denn von einem, der die zähen Verhandlungen mit der EU anführen soll, erwartete man zum jetzigen Zeitpunkt vor allem: einen Plan. 

Johnson hat keinen Plan

«Grossbritannien segelt in einen Sturm und niemand ist am Steuer», kommentierte das britische Wirtschaftsmagazin «Economist» treffend. Kann es also sein, dass sich Johnson verkalkuliert hat? Dass er auf ein knappes Nein zum Brexit hoffte?

Dann hätte er weiter gegen die EU poltern können – mit der Aussicht, den politisch erledigten David Cameron als Premierminister zu beerben. Nun aber müsste er als Pre­mier gleichzeitig das Königreich vor dem Zerfall bewahren, gegen eine drohende Rezession kämpfen und mit der EU über den Austritt verhandeln. Ein Traumjob sieht anders aus.

Schon nennt man ihn zu feige für das Amt des Premierministers. Boris wirkt wie ein Hochstapler, der selber überrascht ist, dass sein Brexit-Trick tatsächlich funktioniert hat. Und der die Manege nun fluchtartig verlässt.

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