Foto: Frank Augstein

May sieht Schuld bei Parlamentariern
EU-Staaten hoffen nach Brexit-Aufschub auf Zustimmung in London

Nach der Einigung auf einen neuen Brexit-Zeitplan hoffen die EU-Staats- und Regierungschefs auf die Zustimmung des britischen Parlaments zum Austrittsvertrag. Doch die Chancen im Parlament für die Brexit-Pläne von Premierministerin Theresa May stehen schlecht.
Publiziert: 22.03.2019 um 14:53 Uhr
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Aktualisiert: 22.03.2019 um 15:53 Uhr

Das britische Unterhaus müsse in der kommenden Woche eine «rationale Entscheidung» treffen und dem Vertrag für einen geregelten EU-Austritt doch noch zustimmen, sagte der belgische Ministerpräsident Charles Michel am Freitag zum Auftakt des zweiten Gipfeltags in Brüssel. Michel warnte, dass das Risiko eines Chaos-Brexit ohne Abkommen noch nicht gebannt sei.

Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel sah mit der Verschiebung des Brexit die Chancen für das Erreichen eines Brexit-Deals «fifty-fifty».

Kroatiens Ministerpräsident Andrej Plenkovic wies auf anhaltende Unwägbarkeiten im britischen Unterhaus hin. «Angesichts der Abstimmungen der letzten Monate sollten wir ein bisschen vorsichtig sein», mahnte er in Brüssel. Das Unterhaus hatte den Brexit-Deal bereits zwei Mal abgelehnt.

Wann stimmt das Parlament wieder ab?

Noch ist nicht klar, wann im Parlament zum dritten Mal über das Brexit-Abkommen abgestimmt wird. Eine Regierungssprecherin gab dazu keine Auskunft. Nach Angaben eines Parlamentssprechers wird es zunächst am Montagabend eine Debatte über den Brexit-Kurs geben.

Doch ist weiterhin eine Mehrheit für das Abkommen zum EU-Austritt nicht in Sicht. Der konservative Abgeordnete Craig MacKinlay sagte, es sei «sehr, sehr unwahrscheinlich», dass sie damit erfolgreich sein werde. Unklar ist auch, wie sich der britische Parlamentspräsident John Bercow verhält. Er hatte zuletzt ausgeschlossen, ein drittes Mal über den gleichen Vertrag abstimmen zu lassen.

May macht sich mit Aussagen im Parlament unbeliebt

Ausserdem hat die Verärgerung der Abgeordneten über May in London zugenommen. Die Premierministerin hatte in einer Rede am Mittwochabend ausdrücklich das Parlament für die Verzögerung des EU-Austritts verantwortlich gemacht. «Die Abgeordneten waren unfähig, sich auf einen Weg für die Umsetzung des Austritts des Vereinigten Königreichs zu einigen», hatte May gesagt.

Britischen Medien zufolge haben sich seitdem weitere Parlamentarier von ihr abgewandt. Entsprechend stuften sie am Freitag die Chancen Mays als gering ein, das Abkommen durchs Parlament zu bekommen, und spekulierten über einen möglichen Rücktritt in den nächsten Wochen oder Monaten.

Premierministerin May selbst nahm am Freitag nicht mehr am zweitägigen EU-Gipfel teil. Sie reiste nach London zurück, um bei den Parlamentariern für ein «Ja»-Votum zu werben.

Wie geht es mit dem Brexit weiter?

Der EU-Gipfel hatte sich nach langem Ringen auf eine Art Zwei-Stufen-Plan geeinigt. Stimmen die britischen Parlamentarier nächste Woche dem Brexit-Abkommen zu, wird Grossbritannien Zeit bis 22. Mai für den geordneten EU-Austritt gegeben.

Stimmt das Unterhaus gegen den Deal, dann muss Grossbritannien der EU bis zum 12. April mitteilten, ob es an den Europawahlen teilnehmen will oder nicht. Wenn ja, dürfte es zu einer weiteren Verlängerung der Brexit-Frist kommen. Wenn nein, scheidet das Königreich am 12. April ohne Abkommen aus der EU aus.

May hatte letzten Mittwoch einen Aufschub des Brexit-Datums bis Ende Juni gefordert. Das lehnten die übrigen 27 EU-Staats- und Regierungschefs aber ab, weil es rechtliche Probleme mit den Europawahlen vom 23. bis 26 Mai geben könnte. «Die Europawahlen sind das Limit», warnte der dänische Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen. Darüber könne man nicht hinausgehen. Ursprünglich hatte sich Grossbritannien am 29. März von der EU trennen wollen.

Bundesrat regelt Migration im Falle eines ungeordneten Brexit

(Bern) Falls es zum ungeordneten Brexit kommt, soll die Migration Schweiz-UK trotzdem in geordneten Bahnen verlaufen. Der Bundesrat hat am Freitag die nötigen Grundlagen geschaffen.

Mit einer Änderung der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) hat er für Grossbritannien ein separates Kontingent von 3500 Arbeitskräften geschaffen. Dieses kommt vorerst nicht zur Anwendung, da der Brexit verschoben wurde. Vorläufig gelten die Bestimmungen des Freizügigkeitsabkommens weiter, wie der Bundesrat in einer Mitteilung schreibt.

Eine weitere Änderung der Verordnung betrifft die Schaffung eines biometrischen Ausländerausweises. Ein solcher wird Britinnen und Briten ab dem Austritt Grossbritanniens aus der EU ausgestellt.

Der Bundesrat hat auch ein Abkommen in die Vernehmlassung geschickt, das Schweizer Staatsangehörige in Grossbritannien und britischen Staatsangehörigen in der Schweiz ihre bisherigen Rechte garantieren soll. Genehmigt hatte er dieses schon im letzten Dezember, die Unterzeichnung erfolgte Ende Februar. Die Vernehmlassung dauert bis am 29. Mai 2019. Das Abkommen werde ab dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU vorläufig angewendet, schreibt der Bundesrat.

Er hat weiter eine absehbare Schengen-Weiterentwicklung vorweg genommen: Die EU wird Britinnen und Briten voraussichtlich ab dem Zeitpunkt des Austritts aus der EU von der Visumspflicht befreien. Der Bundesrat hat das im Voraus genehmigt, um flexibel auf die Entwicklungen reagieren zu können.

Die Befreiung von der Visumspflicht gilt auch für einen längeren Aufenthalt. Das gleiche gilt für Schweizerinnen und Schweizer. Das habe das Vereinigten Königreich bestätigt, schreibt der Bundesrat.

Die Entscheide des Bundesrats gelten für den Fall eines ungeordneten Brexits. Der Brexit war für den 29. März geplant. Nun wird der Austritt verschoben, möglicherweise auf April oder Mai. (SDA)

(Bern) Falls es zum ungeordneten Brexit kommt, soll die Migration Schweiz-UK trotzdem in geordneten Bahnen verlaufen. Der Bundesrat hat am Freitag die nötigen Grundlagen geschaffen.

Mit einer Änderung der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE) hat er für Grossbritannien ein separates Kontingent von 3500 Arbeitskräften geschaffen. Dieses kommt vorerst nicht zur Anwendung, da der Brexit verschoben wurde. Vorläufig gelten die Bestimmungen des Freizügigkeitsabkommens weiter, wie der Bundesrat in einer Mitteilung schreibt.

Eine weitere Änderung der Verordnung betrifft die Schaffung eines biometrischen Ausländerausweises. Ein solcher wird Britinnen und Briten ab dem Austritt Grossbritanniens aus der EU ausgestellt.

Der Bundesrat hat auch ein Abkommen in die Vernehmlassung geschickt, das Schweizer Staatsangehörige in Grossbritannien und britischen Staatsangehörigen in der Schweiz ihre bisherigen Rechte garantieren soll. Genehmigt hatte er dieses schon im letzten Dezember, die Unterzeichnung erfolgte Ende Februar. Die Vernehmlassung dauert bis am 29. Mai 2019. Das Abkommen werde ab dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU vorläufig angewendet, schreibt der Bundesrat.

Er hat weiter eine absehbare Schengen-Weiterentwicklung vorweg genommen: Die EU wird Britinnen und Briten voraussichtlich ab dem Zeitpunkt des Austritts aus der EU von der Visumspflicht befreien. Der Bundesrat hat das im Voraus genehmigt, um flexibel auf die Entwicklungen reagieren zu können.

Die Befreiung von der Visumspflicht gilt auch für einen längeren Aufenthalt. Das gleiche gilt für Schweizerinnen und Schweizer. Das habe das Vereinigten Königreich bestätigt, schreibt der Bundesrat.

Die Entscheide des Bundesrats gelten für den Fall eines ungeordneten Brexits. Der Brexit war für den 29. März geplant. Nun wird der Austritt verschoben, möglicherweise auf April oder Mai. (SDA)

Die komplette Brexit-Chronologie

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seit diesem Zeitpunkt fand zwischen der EU und Grossbritannien aber auch innerhalb des Vereinigten Königreichs ein langwieriger politischer Prozess der Kompromissfindung statt. Mehrere Abgeordnete und sogar Premierminister traten aufgrund der Vertragsverhandlungen zurück. Am 31. Januar 2020 trat Grossbritannien schliesslich aus der EU aus.

BLICK zeigt die wichtigsten Stationen des chaotischen Prozesses seit dem Austrittsvotum der Briten auf.


Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seit diesem Zeitpunkt fand zwischen der EU und Grossbritannien aber auch innerhalb des Vereinigten Königreichs ein langwieriger politischer Prozess der Kompromissfindung statt. Mehrere Abgeordnete und sogar Premierminister traten aufgrund der Vertragsverhandlungen zurück. Am 31. Januar 2020 trat Grossbritannien schliesslich aus der EU aus.

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