Der Beruf des Kanalarbeiters hat für mich etwas Mystisches. Ich stelle mir vor, wie man sich durch enge Abwasserrohre zwängt und mit Schaufel und Pickel gegen gigantische Fettberge ankämpft. Doch vor Ort ist schnell klar: totaler Quatsch! Entwässerungstechnologen (so heissen sie heute) sind schon lange keine Minenarbeiter mehr. Die meiste Zeit steuern sie Roboter, die ihnen fast alles abnehmen. Selten muss der Mensch trotzdem ins Rohr.
Meine Chefin für den Ein-Tages-Dienst beim grössten Kanalreiniger der Schweiz (ISS Kanal Services) ist Virginia Salzmann (20). Sie hat als erste und bisher einzige Frau in der Schweiz die Lehre als Entwässerungstechnologin abgeschlossen.
In Wohlen AG geht es in den Untergrund
Mein Einsatz beginnt auf der Baustelle an der Zentralstrasse in Wohlen AG. Schon auf der Hinfahrt muss ich eine Maske tragen. Wegen der Corona-Pandemie gilt bei ISS die Maskenpflicht – denn bei den meisten Einsätzen können die Abstände nicht eingehalten werden.
Dann gilt es ernst. Virginia Salzmann zeigt mir, wie ich den Gullydeckel mithilfe eines Pickels öffne. Beim ersten Versuch bleibt er hängen, mit etwas Schwung klappt es. Die Vorbereitungen für den Abstieg sind aufwendig. Wir prüfen mit einem Messgerät, ob sich giftige Gase im Stollen befinden. Der Abstieg wird per Seil gesichert.
Tiefe Decken, braune Brühe
Ich verkeile mich ungeschickt mit den Armen und bleibe stecken. Das Rohr ist eng. Unten angekommen, stehe ich mit den Stiefeln in einer etwa 15 Zentimeter tiefen Brühe. Toilettenpapier und braune Brocken treiben vorbei. Man riecht, was es ist. Aber der Gestank ist nicht allzu intensiv. «Wir spülen die Kanäle vor dem Einsteigen», sagt Salzmann.
An unserer Stelle macht der Kanal einen Richtungswechsel. Darum kommen hier nicht die Roboter ran, sondern wir. Durch einen Hochdruckstrahl fliesst Schleim und Dreck von den Wänden. Schäden sind keine zu sehen. Die Fachfrau inspiziert die seitlichen Zuflüsse. Später kontrolliert sie, ob diese Rohre auf den Plänen korrekt eingezeichnet sind. Alles wird digital erfasst und auf Karten markiert.
An den Gestank gewöhne ich mich schnell. Mühe macht die gebückte Haltung. Das Rohr ist nur 1,50 Meter hoch. Zum Aufrechtstehen fehlen mir 30 Zentimeter. Ich schwitze, der Rücken schmerzt. «Zum Glück sind wir nie lange unten», sagt die Entwässerungstechnologin.
Im Kleinbus wird der Roboter durch die Rohre gejagt
Der Arbeitsplatz befindet sich in einem Kleinbus, der direkt beim Gully-Einstieg parkiert ist. Virginia Salzmann sitzt vor einem Computer mit vier Bildschirmen, zwei Joysticks und einer Bedieneinheit für die Roboter. Daneben steht ein Kühlschrank, darüber eine Mikrowelle und es hat sogar eine Kaffeemaschine. Als Luxuszugabe: Standheizung und Klimaanlage.
Den Entwässerungstechnologen stehen verschiedene Roboter zur Verfügung. Einige mit Kamera, andere mit Betonfräsen. Manche können schalen und betonieren. Jede der Maschinen kostet so viel wie ein mittlerer Supersportwagen – also über 100'000 Franken.
Virginia Salzmann liebt ihren Job in der Männerdomäne: «Mir gefällt die Mischung aus Technologie und Handwerk!» Auch mein Fazit ist positiv: Der Job ist sehr abwechslungsreich, jeder Auftrag anders – auch wenn andere weiter die Nase rümpfen.
Der Entwässerungstechnologe kümmert sich um das Abwassernetz. Er sorgt dafür, dass die Leitungen dicht sind und das Schmutzwasser ungehindert abfliessen kann. Die Reinigung von Kanälen ist nur ein Teil des Jobs. Der digitale Wandel ist in vollem Gang. Kabelgesteuerte Roboter übernehmen die meisten Arbeiten im Kanal. So werden Kanäle dreidimensional gescannt und Schäden durch Fräsen, Schleifen und Verpressen repariert und digital dokumentiert. Pro Jahr schliessen schweizweit um die 40 Entwässerungstechnologen ab.
Der Entwässerungstechnologe kümmert sich um das Abwassernetz. Er sorgt dafür, dass die Leitungen dicht sind und das Schmutzwasser ungehindert abfliessen kann. Die Reinigung von Kanälen ist nur ein Teil des Jobs. Der digitale Wandel ist in vollem Gang. Kabelgesteuerte Roboter übernehmen die meisten Arbeiten im Kanal. So werden Kanäle dreidimensional gescannt und Schäden durch Fräsen, Schleifen und Verpressen repariert und digital dokumentiert. Pro Jahr schliessen schweizweit um die 40 Entwässerungstechnologen ab.