«Höhe ist eigentlich nicht so mein Ding»
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In schwindelerregender Höhe:BLICK-Reporter übt sich als Felstechniker

BLICK-Reporter Anian Heierli (33) in der Schnupper-Stifti als Felstechniker
«Helm ab vor diesen Büezern!»

BLICK-Reporter Anian Heierli (33) tauscht Laptop und Kamera gegen Hammer und Bohrer. Für die Sommer-Serie «BLICK macht Ihren Job» schnuppert er einen Tag lang Baustellenluft und macht den Handlanger bei den Felstechnikern am Gotthard.
Publiziert: 19.07.2020 um 23:32 Uhr
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Aktualisiert: 20.07.2020 um 08:48 Uhr
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Helm auf! BLICK-Reporter Anian Heierli im Fels.
Foto: Claudio Meier
Anian Heierli

Das Schlimmste ist der Wecker. Kurz vor 5 Uhr morgens klingelt das Ding. Normalerweise schlafe ich um diese Zeit noch tief und fest. Als Journalist stehe ich um 6.45 Uhr auf. Doch heute ist alles anders. Für die Sommer-Serie gehen BLICK-Reporter einen Tag lang in die Schnupper-Stifti.

Für mich gehts auf die Baustelle. Ich versuche mich als Büezer. Ich weiss, es wird hart – gerade für einen Bürogummi wie mich.

Um 6 Uhr stehe ich am Bahnhof in Erstfeld UR. Mein neuer Chef Bruno Niederberger (39) holt mich mit dem Firmenbus ab. Das Coronavirus werde ernst genommen, versichert er mir. Im Auto tragen wir deshalb Maske. Der Mund bleibt verdeckt, was nicht weiter schlimm ist – es ist ohnehin zu früh für Konversation. Die Baustelle liegt nur wenige 100 Meter unterhalb der Gotthard-Passhöhe auf Urner Seite an der Hauptstrasse.

Niederberger ist gelernter Maurer, Polier und Baustellenchef bei der Gasser Felstechnik AG in Lungern OW. Der Betrieb ist keine gewöhnliche Baufirma: Niederberger und sein Team sind Spezialisten für Felssicherung. Sie sind dafür verantwortlich, dass sich oberhalb der Passstrasse kein Gestein löst. Klettern, Abseilen, Bohren, Betonieren und das Führen von Maschinen in schwindelerregender Höhe beherrschen die Männer aus dem Effeff.

«Es braucht rohe Gewalt!»

So weit bin ich nicht. Ich muss Stahlanker vorbereiten, die später metertief im Felsen versenkt werden. Klingt eigentlich ganz simpel: Man nehme eine Stange, drücke zwei Plastikdinger drauf, klebe einen Schlauch an, schraube eine Metallplatte ans Ende und ziehe ein Stück Stoff drüber. Blöd nur, dass ich die Plastikdinger einfach nicht draufkriege! Der Tipp eines Kollegen: «Es braucht rohe Gewalt!» Eine gefühlte Ewigkeit später und mit viel Murks geht es dann doch. Glück gehabt, Gesicht gewahrt.

Ich habe mich für Handlangerjobs bewährt. Bretter, Kanthölzer, Metallstangen, Kabelrollen, Maschinen und Schläuche müssen von A nach B getragen werden. Das geht in die Arme, vor allem aber in den Rücken! Wer so büezt, kann sich das Fitnessstudio ungeniert sparen. «Sicher ist es streng», sagt Niederberger, «aber schön.»

Der Polier war in seiner Funktion schon auf diversen Bergen: «Am besten hat mir der Bau einer Seilbahnstation auf dem Klein Matterhorn gefallen. Die Aussicht war spektakulär.» Nicht immer sind die Bedingungen so romantisch. Ein Wetterumschwung? Ändert für die Felstechniker nichts. Sie müssen auch bei fünf Grad und Regen ran.

Stundenlang an der senkrechten Felswand

Petrus ist mir wohlgesinnt. Die Sonne scheint. Über unseren Köpfen hängen zwei Männer im Seil. Stundenlang arbeiten sie an der Senkrechten. Allein vom Zuschauen dreht sich mir alles. Verschont werde ich deshalb nicht. Mein Chef will mich hängen sehen. Sein Argument: «Wenn man schon als Felstechniker schnuppert, dann richtig!» Alles klar. Hier muss ich jetzt wohl durch.

Dass auch Sicherheitsleiter und Firmenmitinhaber Sebastian Gasser (35) auf Platz ist, beruhigt. «Keine Angst, wir haben auf jeder Baustelle ein Sicherheitskonzept», sagt er. «Alle Mitarbeiter wissen, wie sie bei Unfällen vorgehen müssen.» So ist die Absturzgefahr in der Felssicherung immer Thema. Ein zweites Risiko – das mindestens so gross ist – sind vorbeifahrende Autos. Den Verkehr am Gotthardpass gilt es zu regeln.

Ich bin etwas nervös. Doch Gasser macht mir Mut, erklärt, dass ich für die Arbeit kein Profikletterer sein muss: «Wer technisches Verständnis mitbringt, schwindelfrei und körperlich fit ist, kann in die Felssicherung.» Zwar darf ich selbst hochkraxeln, doch arbeiten am Felsen geht nicht. Dafür braucht es die entsprechende Ausbildung. Polier Niederberger hilft mir beim Anziehen des Klettergurts. An zwei Seilen sichert er mich gleich dreifach.

Der Schweiss tropft, die Arme brennen

Das Hochkommen ist tatsächlich leichter, als gedacht. Ich muss nicht wirklich klettern, sondern mich selbst Stück für Stück am Seil nach oben ziehen. Fünf Meter muss ich senkrecht hoch, über eine Kante. Das geht in die Bizepse. Oben angekommen, rinnt der Schweiss, die Arme brennen. Dafür stimmt die Aussicht.

Zeit zum Geniessen bleibt nicht. Jetzt werden die gebohrten Löcher mit Felsankern und Spritzbeton ausgefüllt. Der extra konstruierte Bohrkran-Lastwagen steht dafür schon bereit. Damit kann der Kranführer präzise bohren und Spritzbeton einfüllen. Der Trockenzement und das Dichtungsmittel werden separat gepumpt und erst vorn an der Düse am Ende des Krans gemischt.

Mir bleibt dabei die Zuschauerrolle – und mein Chef braucht mich schon wieder anderswo. Der Schnupperstift muss Zement nachfüllen. Die bis anhin gemütlichste Arbeit meines Tages – und sie dauert den halben Nachmittag. Zum Glück! Denn mein Rücken schmerzt. Anmerken lasse ich mir die Erschöpfung aber nicht. Trotzdem bin ich froh, als der Tag dann zu Ende geht. Rückblickend hat es Spass gemacht.

Das Fazit: Leute, die jeden Tag auf der Baustelle krampfen, verdienen Respekt. Ohne ihren Einsatz würde unser Land wortwörtlich stillstehen.

327'000 Personen arbeiten auf dem Bau

327'000 Personen arbeiten in der Schweiz auf dem Bau. Die Branche trägt so über sechs Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Darunter fallen rund 50 Berufe – vom Architekten über den Ingenieur bis zum Zimmermann. Allrounder, die auf fast jeder Baustelle zum Einsatz kommen, sind Maurer. Auch viele Felstechniker haben ursprünglich eine Maurerlehre abgeschlossen. Die Lehrer dauert drei Jahre. Später kann sich der Maurer zum Vorarbeiter, Polier und Bauführer weiterbilden. Ein Maurer zum Beispiel verdient in der Schweiz im Schnitt 79'000 Franken brutto im Jahr.

327'000 Personen arbeiten in der Schweiz auf dem Bau. Die Branche trägt so über sechs Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Darunter fallen rund 50 Berufe – vom Architekten über den Ingenieur bis zum Zimmermann. Allrounder, die auf fast jeder Baustelle zum Einsatz kommen, sind Maurer. Auch viele Felstechniker haben ursprünglich eine Maurerlehre abgeschlossen. Die Lehrer dauert drei Jahre. Später kann sich der Maurer zum Vorarbeiter, Polier und Bauführer weiterbilden. Ein Maurer zum Beispiel verdient in der Schweiz im Schnitt 79'000 Franken brutto im Jahr.

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