BLICK erklärt die Rechtspopulisten in 10 Punkten
Wie viel AfD erträgt Deutschland?

Kommende Woche finden in drei deutschen Bundesländern Landtagswahlen statt. Umfragewerte zeigen: Die AfD wird dort wohl mehr als 10 Prozent der Stimmen holen. Doch wer ist die AfD überhaupt?
Publiziert: 06.03.2016 um 19:34 Uhr
|
Aktualisiert: 11.09.2018 um 17:44 Uhr
Übernahm die Macht in der AfD: Chemikerin, Unternehmern und vierfache Mutter Frauke Petry (40).
Foto: Getty
Cyrill Pinto
"Offen rassistisch": Politologe Hajo Funke über die AfD

1. Was will die AfD?

Die Alternative für Deutschland (AfD) steht der europäischen Währung, dem Euro, kritisch gegenüber. Vor dem Hintergrund der Griechenlandkrise verlangte die AfD 2014 die Auflösung des Euroraums und damit die Abschaffung des Euros. Die EU lehnt sie nicht ab – nur finanzielle Transfers innerhalb der EU und einen «zentralisierten Europastaat». Innenpolitisch fordert sie die Abschaffung des Fördergesetzes von erneuerbaren Energien, eine soziale Absicherung für Geringverdiener und eine restriktive Asylpolitik: Grenzen sollen geschlossen werden, nur noch hochqualifizierte Migranten dürfen ins Land. 


2. Wer wählt die AfD?

Ursprünglich war die AfD ein Sammelbecken für Mittelständlern, die mit der EU-Politik, insbesondere der Griechenlandpolitik von Kanzlerin Angela Merkel (61), unzufrieden waren. Bis Ende 2014 bestand ein grosser Teil der AfD-Mitglieder aus Lehrer und Professoren. So wie der AfD-Gründer Bernd Lucke (53), der hauptberuflich als Professor für Ökonomie an der Uni Hamburg tätig ist. Mit der Flüchtlingskrise wandelte sich die AfD: Sie habe die Partei «geradezu entfesselt», sagt der emeritierte Politik-Professor und Experte für Rechtsextremismus, Hajo Funke (71).

 
3. Warum ist die AfD im Moment so erfolgreich?

Am kommenden Sonntag wird in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt. Laut jüngsten Umfragen kommt die AfD dabei auf 10 Prozent, in Sachsen-Anhalt gar auf 19 Prozent. Den Aufstieg der AfD in Deutschland sieht Politologe Funke vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingskrise. «Wie sich die AfD entwickelt, hängt vor allem davon ab, wie Deutschland die Flüchtlingskrise bewältigt», sagt er. Soziale Unzufriedenheit und der Hass auf Flüchtlinge habe den Zulauf zur AfD verstärkt.

 
4. Wer ist Präsidentin Frauke Petry?

Parteivorsitzende Frauke Petry (40) ist promovierte Chemikerin und Unternehmerin – und vierfache Mutter. Sie leitet die AfD in einem Co-Präsidium mit dem Wirtschaftswissenschaftler Jörg Meuthen (54). Nach einem monatelangen parteiinternem Machtkampf übernahmen die beiden im Juli 2015 die Führung der AfD. Mit dem Sturz des früheren AfD-Chef Lucke habe der radikale Flügel der Partei die Macht übernommen, sagt Funke: «Es fand eine rechtsradikalisierung statt.» Petry forderte schon öffentlich den Einsatz von Schusswaffen an der Grenze.

 
5. An der Parteispitze gibt es ständig Wechsel – ist die AfD überhaupt regierungstauglich?

Die AfD ist schon in verschiedenen Gemeindeparlementen aktiv – 2014 erreichte sie in Sachsen 14 Landtagsmandate. Auch in Thüringen und Brandenburg gelang ihr ein Achtungserfolg und der Einzug in den Landtag. Dass sie regierungsfähig ist, hat sie noch nicht bewiesen.


6. Wird die AfD zur Gefahr für Merkel?

Wie sich die AfD entwickelt, hängt vor allem davon ab, wie Deutschland die Flüchtlingskrise bewältigt. Für Deutschland gebe es nur eine Antwort, sagt Politologe Funke: Eine gute Sozialpolitik, die Schwächere in die Gesellschaft integriere, «und eine Gesellschaft, die Rassismus konsequent entgegentritt».


7. Ist die AfD rechtsextrem?

Deutsche demonstrierten letzten Freitag in Bad Kreuznach gegen die AfD.
Foto: Getty

Im Unterschied zu rechtspopulistischen Parteien wie der FPÖ sei die AfD offen rassistisch, sagt Funke: «Es gibt bei der AfD eine grosse Nähe zu Kundgebungen und zur Gewalt.» Er nennt das Beispiel Clausnitz. Im sächsischen Dorf bedrohte Mitte Februar ein Mob einen Bus mit Flüchtlingen, blockierte diesen während Stunden. Funke weiss: «Das waren Anhänger der AfD.» 


8. Warum verkauft die AfD Gold?

Mit dem Verkauf von Gold nutzt die AfD eine spezielle Klausel bei der Wahlkampfkostenerstattung des Bundes aus. Parteien müssen die Budget-Grenze von fünf Millionen überschreiten, um in den Genuss der vollen Wahlkampfunterstützung zu kommen. Obwohl die AfD nur wenig mit ihrem Online-Goldverkauf verdient, lohnt er sich für die Partei, weil sie so ihr Budget nach oben treibt – und damit die Summe der Fördermittel.

9. Wird die AfD zu einer festen Grösse in der deutschen Politik?

Experte Funke glaubt das nicht: Die Ausgangslage bei den Bundestagswahlen sei eine andere als in den Landtagen. Hier werde es die AfD – ähnlich wie die NPD – viel schwieriger haben, die Fünf-Prozent-Hürde zu knacken, so Funke: «Die Bundestagswahl ist eine europäische Wahl – hier zählt eher die internationale Agenda.»

10. Hat die AfD Verbindungen in die Schweiz?

Ja - SVP-Nationalrat und AUNS-Präsident Lukas Reimann (33) trat schon bei Veranstaltungen der AfD auf und sprach dort zum Thema: «Wie viel EU braucht Europa?» Mit seiner EU-Kritik traf Reimann den Nerv der EU-Kritischen AfD-ler. Obwohl sich diese – noch unter Bernd Lucke – von der SVP distanzierte.

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?