Ein internationales Team von Wissenschaftlern um Christopher Bellas von der Universität Innsbruck hat die Genome von Viren analysiert, die in den Alpen, Grönland und Spitzbergen auf der Oberfläche von Gletschern in kleinen Schmelzwassertümpel, sogenannten Kryokonit-Löchern, leben. Ihr Befund stellt bisherige Annahmen über die Evolution von Viren in Frage.
Die Forscher gingen zunächst davon aus, dass die weit voneinander entfernt liegenden Kryokonit-Löcher verschiedene Viren enthalten würden, die nur entfernt miteinander verwandt sind. Zu ihrer Überraschung waren die meisten bakterieninfizierenden Viren, sogenannte Bakteriophagen, aber bemerkenswert ähnlich. «90 bis 95 Prozent ihrer etwa 50'000 Basenpaare langen DNA waren identisch», erklärte Bellas gegenüber der APA.
In jedem Viren-Genom gab es aber viele kleine Abschnitte, in denen das Erbgut anderer, verwandter Viren wiederholt ein- und ausgebaut wurde - ein Prozess, der Rekombination genannt wird. «Das verleiht den Viren das Potenzial, sich schnell an verschiedene Wirte anzupassen», sagte Bellas.
Die Evolution von Viren wird laut Bellas üblicherweise im Labor studiert. Dabei lassen sich kleine Mutationen in einzelnen DNA-Buchstaben im Laufe der Zeit beobachten. Wäre dem auch in der Natur so, sollte man an isolierten Orten niemals genau die gleichen Virusgenome finden. Die neuen Studie, in der Viren in ihrer natürlichen Umgebung als ganze Gemeinschaft betrachtet wurden, zeigte dagegen, dass «die Rekombination zwischen Viren die grösste Triebfeder der Evolution bei Bakteriophagen ist», sagte Bellas.
https://doi.org/10.1038/s41467-020-18236-8
(SDA)