Am Dienstagmorgen, das Jahr ist knapp drei Tage alt, macht Radio SRF 1 die Ausschreitungen in der Silvesternacht zum Hauptthema in den Nachrichten: In Berlin hatte ein Mob mit Feuerwerkskörpern auf Wohnhäuser, Passanten und Einsatzkräfte geschossen. 41 Polizisten und 15 Feuerwehrleute wurden verletzt.
Um einiges zahmer klingen die Worte, die der Schweizer Nationalsender in den Äther schickt. Mit sanfter Stimme berichtet der Moderator zur Primetime über die «Menschen» auf den Strassen der deutschen Hauptstadt, die sich zur Gewalt hinreissen liessen. Gut, dass es nicht Esel oder Schimpansen waren.
Zur Einordnung trägt eine Reporterin aus der Bundesrepublik den Eidgenossen die Ursachen der Eskalation vor: Zuerst kommt die Regierung dran, die es versäumt habe, ein allgemeines Böllerverbot zu erlassen. Dann der Rechtsstaat, der nicht konsequenter durchgreife, Behörden, die sich irgendein «Schwarzpeterspiel» liefern, die Gerichte, die zu wenig hart bestrafen, nicht zuletzt die Gesetzeshüter selber, die es nicht fertigbrächten, sich mehr Autorität zu verschaffen.
Schuld an der primitiven Aktion sind also alle anderen: die Umstände, die Öffentlichkeit, die Politik.
Fehlt da nicht noch wer? Genau: Die Täter – es waren praktisch ausnahmslos Jungs und Männer – werden nur am Rande erwähnt, die aus ein paar Metern Distanz mit Signalraketen und Schreckschusswaffen auf Leute schossen, die Feuerwehr in Hinterhalte lockten und die Windschutzscheibe eines besetzten Krankenwagens mit einem Feuerlöscher einschlugen.
Lieber reden die Meinungsmacher diffus von «Jugendgewalt» – als ob an der Spree eine durchschnittliche Ansammlung heranwachsender Frauen und Männer zur Tat geschritten wäre. Das ist Ausdruck einer verbreiteten Haltung des Westens, der sich aus wohlmeinenden Beweggründen zunehmend in politischer Selbstkastration übt und sich dafür auch noch feiert.
So vermeidet man das Aussprechen der unangenehmen Tatsache, dass die destruktive Wucht aus einer ganz bestimmten Subkultur stammt, die sich in Lifestyle, Konsum und Rapmusik ausdrückt, für die Frauen «Fotzen» und «Bitches» sind, die Homosexuelle im freundlichsten Fall als «Schwuchteln» bezeichnet und das Faustrecht zu einer Art Vulgärphilosophie erhebt.
Ob der einzelne Delinquent nun Armin oder Ahmed, Karl oder Karim heisst, spielt dabei gar keine Rolle. Der Nährboden existiert, er entwickelt sich in Europas Vorstädten von Brüssel bis Berlin, von Manchester bis Marseille und wird durch die Einwanderung aus islamischen Ländern von Nordafrika bis Nahost mitgeprägt. Doch aus Angst vor dem Vorwurf der «Hetze» begnügt sich das Justemilieu mit dem marxistischen Klischee von den ausgebeuteten Modernisierungsverlierern.
Zweifellos gibt es ein tragisches Schichtenproblem, gewiss trägt die bürgerliche Mehrheitsgesellschaft eine Mitverantwortung an der Ghettobildung in den Plattenbausiedlungen, die ihr als billiges Arbeitskräftereservoir dienen. Wahr ist auch, dass die Welt von Chancengleichheit weit entfernt ist und die soziale Mobilität gering; dafür nimmt die Vermögenskonzentration zu, auch in der Schweiz.
Diese reflexartige Viktimisierung jedoch, der Opfer-Stempel für Gewalttäter, die ihren Hass auf Arabisch in die Handykameras brüllen, hat auf Dauer leider keine andere Wirkung, als den unbescholtenen Mitgliedern dieser Communitys zu schaden.
Vom unehrlichen Umgang mit dieser Problematik und von der selektiven Berichterstattung darüber wird in der Schweiz auf Dauer nur eine Kraft profitieren: die SVP.