Uri wird Camper-Paradies!
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Bergkanton nutzt die Chance:Uri wird Camper-Paradies!

Zu wenige Plätze, zu viele Wild-Campierer
Kampf um Camper

In der Schweiz gibt mehr als doppelt so viele Wohnmobile wie Stellplätze. Das führt zu unerwünschtem Wildcampen, was mancherorts für rote Köpfe sorgt. Doch es geht auch anders: Randregionen nutzen die Chance und machen mit den Campern nun ein Geschäft.
Publiziert: 14.07.2020 um 22:57 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2020 um 14:31 Uhr
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Die Familie Hauser aus Wädenswil ZH fand erst nach intensiver Suche einen Campingstellplatz.
Foto: Anian Heierli
Anian Heierli

Die Schweiz ist im Ferienmodus. Wegen der Corona-Krise entdecken viele ihre eigene Heimat neu – anstatt wie sonst ins Ausland zu fliegen. Ausgebuchte Hotels, volle Wanderwege und überfüllte Parkplätze sind mittlerweile landesweit das Resultat.

Abseits der grossen Tourismusdestinationen sollte es dafür eigentlich beschaulicher zugehen. Darauf bauen auch Wohnmobil- und Campingbus-Besitzer, die auf Rundtour gehen und nur ein bis zwei Nächte an einem Ort verweilen. Dennoch ist die Schweiz bei Kurzaufenthaltscampern nur mässig beliebt. Der Grund dafür: Es fehlen massenhaft Stellplätze!

Zum Vergleich: 2019 waren schweizweit 69'904 Wohnmobile registriert. Demgegenüber standen laut Bundesamt für Statistik gerade einmal 30'000 offizielle Stellplätze. Und wegen der Corona-Pandemie ist der Platzmangel noch akuter, da viele sich mit ihren mobilen Ferienwohnungen im Landesinnern bewegen. Das führt vermehrt zu wildem Campieren, was wiederum für rote Köpfe sorgt.

Nun reagieren Kantone, Gemeinden und sogar Private. Sie schaffen Stellplätze. Einerseits soll so illegalem Camping Einhalt geboten werden, andererseits erkennt man das touristische Potenzial der Wohnmobil-Szene. Eine Vorreiterrolle übernimmt der Kanton Uri, der sich zum Wohnmobil-Mekka entwickelt.

Kanton Uri schafft 65 neue Stellplätze

Von den grossen Campingplätzen in Flüelen, Altdorf und Andermatt abgesehen, gab es 2019 noch keinen offiziellen Stellplatz. Mittlerweile sind es 65 an neun Standorten. Uri Tourismus koordiniert das entsprechende Projekt Temp Camp. «Unsere Vision ist es, Uri als Ort zum Verweilen zu positionieren», sagt Geschäftsführer Maurus Stöckli zu BLICK. Heisst konkret: Reisende sollen nicht schnell über die A2 in den Süden fahren, sondern im Kanton bleiben und konsumieren.

Doch wie konnten in so kurzer Zeit derart viele Plätze bewilligt werden? «Dank einer guten Zusammenarbeit mit kantonalen und lokalen Behörden», so Stöckli. «Sicher hat das überbordende Wildcampen zur schnellen Umsetzung beigetragen. Jetzt können wir die Camper auf sympathische Art lenken.» Das Projekt läuft noch bis Ende September. Stimmt die Bilanz, wird es nächstes Jahr fortgeführt.

Strom, WC und Grillplatz inklusive

Davon profitieren alle. Auch das Winzerpaar Ruth (55) und Joe Kempf (66) aus Silenen UR bietet nun einen Stellplatz vor ihrem Rebberg an. Hier gibt es Strom, sanitäre Anlagen, einen Aufenthaltsraum und einen Grillplatz inklusive Pergola. Pro Nacht kostet das Angebot 38 Franken. «Das Projekt ist eine gute Idee und hilft uns», so die Vermieterin.

Im Vergleich zu grossen Destinationen verirrten sich bislang nur wenige Touristen nach Silenen. «Dabei ist es bei uns sehr schön», so Kempf. «Es gibt Wanderwege, Bikerouten und viel Kultur.» Etwa die gut erhaltene historische Turmburg im Dorfkern aus dem 13. Jahrhundert. Zudem hofft die Winzerin, dass sie so auch ihren Wein bekannter machen kann. Weitere Einheimische werben beim Stellplatz für ihre Produkte – etwa Filz-Artikel aus lokaler Schafwolle.

Camper Hauser: «Im Engadin war alles besetzt»

Aktuell ist Camping-Familie Hauser aus Wädenswil ZH mit dem Wohnmobil zu Besuch. «Wir sind das erste Mal hier», sagt Vater und Grossvater Adrian (56), der mit seinem Sohn und den Enkeln Ferien macht. Er weiss nur zu gut: «In der Schweiz gibt es zu wenig Stellplätze.» Sie wollten eigentlich ins Engadin oder in die Westschweiz. Doch alles war bis Mitte August besetzt. Deshalb ist die Familie nun im Kanton Uri und happy. «Wir sind froh, dass wir hier einen gemütlichen Ort gefunden haben!»

Nicht nur Uri hat reagiert. Auch Gähwil SG setzt auf Wohnmobil-Touristen. Wegen Corona wurde neu der Stellplatz Iddaburg für zehn Fahrzeuge geschaffen. Die Initianten Werner Messmer (59) und Josef Keller (62) erhoffen sich so eine Förderung des Tourismus im Ort. Keller besitzt selbst ein Wohnmobil: «Solche Angebote wie hier braucht es dringend!» Projekte, die helfen, dass Schweizer Touristen ihr Land neu entdecken. Ganz zur Freude der Einheimischen.

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