«Wir sind natürlich bereit, im Ernstfall jeden Alliierten zu beschützen und zu verteidigen gegen jede Art von Bedrohung, die von Minsk und Moskau ausgeht», sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg der «Welt am Sonntag». «Wir sind wachsam, und wir verfolgen sehr genau, was in Belarus passiert.» Belarus werde «immer abhängiger» von Russland.
Stoltenberg sagte, die Alliierten seien über die engere Zusammenarbeit zwischen Moskau und Minsk in den vergangenen Monaten ernsthaft besorgt. «Wir haben in der Vergangenheit erfahren müssen, dass Russland die territoriale Integrität von Staaten wie Ukraine, Georgien und Moldawien massiv verletzt hat.» Er wolle nicht zu viel spekulieren, sagte der frühere norwegische Ministerpräsident und fügte hinzu: «Die Nato ist eine defensive Allianz.» Die Nato-Länder Litauen, Lettland und Polen haben eine gemeinsame Grenze mit Belarus.
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hatte vor rund zwei Wochen eine Ryanair-Passagiermaschine auf dem Weg von Athen nach Vilnius zur Zwischenlandung in Minsk zwingen lassen. Er liess danach den an Bord reisenden regierungskritischen Blogger Roman Protassewitsch und seine Freundin Sofia Sapega festnehmen. Beide sitzen in Haft. Die EU erliess daraufhin Sanktionen, um den Druck auf Lukaschenko zu erhöhen. Russlands Präsident Wladimir Putin dagegen empfing den Machthaber - und half ihm mit einem Grosskredit. Putin betonte, Lukaschenko in der Konfrontation mit dem Westen weiter zu unterstützen.
Stoltenberg sagte der Zeitung weiter, die Lage in Belarus werde auch Thema beim Nato-Gipfel in einer Woche in Brüssel sein, an dem neben Bundeskanzlerin Angela Merkel auch US-Präsident Joe Biden teilnehmen wird. Das bestehende Partnerschaftsabkommen (PFP) mit Belarus sei zuletzt deutlich zurückgefahren worden und werde weiterhin überprüft.
Gegenüber Russland verfolge die Allianz einen zweigleisigen Ansatz: Abschreckung und Dialog. «Daran halten wir fest.» Gerade in schwierigen Zeiten müsse die Nato «mit unserem Nachbarn Russland» im Gespräch bleiben über Waffenkontrolle und andere militärische und politische Herausforderungen, sagte Stoltenberg. «Wenn wir nicht miteinander reden, können wir weder unsere Streitigkeiten beilegen noch das gegenseitige Verständnis verbessern». (SDA)