Das Gemälde ist stilistisch weit vom Fotorealismus entfernt und dennoch bekommt man davor stehend das Gefühl, dass man in das Bild hineingreifen könnte, um in eines dieser Dinger reinzubeissen. Die abgebildeten Dinger sind Kuchenstücke, die in einem durch und durch künstlichen Setting auf einer Anrichte ausgebreitet sind.
Mit kühn aufgetragener Farbschichten, die wie üppige Rahm- oder Quarkschichten wirken, entsteht die Illusion einer Dreidimensionalität; die Konturen in scharfen Strichen in Komplementärfarben Rot, Grün, Gelb oder Blau erzeugen ein optisches Flirren, dem man sich nur schwer entziehen kann.
Das Bild «Piew Rows» von 1961 markiert den Beginn von Wayne Thiebauds Karriere als figurativer Pop Artist. In einem im Katalog abgedruckten Interview sagt der 2021 mit 101 Jahren verstorbene Künstler, dass es ihn aus einer abstrakten Spielerei heraus zu diesem Motiv hingezogen habe, dass er sich mit diesem Bild dann aber bereits am Ende seiner Karriere als ernst zu nehmender Künstler gesehen habe.
Das Gegenteil traf ein. Die Amerikanerinnen und Amerikaner liebten die Werke des Künstlers, die deren Welt des Überflusses so trefflich wiedergab - sei es nun in seinen Stilleben oder in den vielen Porträts, die wie zum Leben erweckte Skulpturen wirken. Und schliesslich in den Stadtlandschaften, die von einer krassen Überhöhung der Perspektive leben, in denen sich wie auf einer Achterbahn die Strassen auftürmen wie die Wolkenkratzer.
Thiebaud erwähnte im Interview mehrfach, dass er kein akademisches Kunststudium absolviert habe. Er kam als Grafiker, Illustrator und Cartoonist zur Kunst. Als Reminiszenz zu Letzterem - er arbeitete ursprünglich auch in den Disney-Studios - ist ein kleines Porträt von Mickey Mouse zu sehen, dessen Schatten als Filmkamera zu identifizieren ist.
Die grosse und humorvoll hintersinnige Hingabe zum American Way of Life und der einzigartige Umgang mit Farbnuancen haben Wayne Thiebaud in den USA zum Star gemacht. Die Fondation Beyeler bringt ihn nun in ihrer Reihe von Sonderausstellungen mit figurativen Künstlern und Künstlerinnen aus den USA in der Schweiz auf die Ausstellungsagenda. Das Kennenlernen ist bis 21. Mai möglich und lohnt sich sehr.
(SDA)