Unerhört war das, als Henri Matisse 1905 im grossen Salon d'Automne in Paris einen feuerroten Sandstrand ("La Plage rouge") präsentierte und sein Künstlerfreund André Derain es ihm mit seinem Bild «Bateaux dans le port de Collioure» gleichtat. Der Kritiker Louis Vauxcelles bezeichtne die Künstler angesichts der expressiven Farbgebung als «Fauves», also als wilde Tiere.
Den so bezeichneten Künstlern gefiel dieser Begriff, der damals nicht unbedingt positiv gemeint war. Man hatte sich erst an die Lichtspiele der Impressionisten gewöhnt und nun kamen Künstler, die restlos alle Konventionen der akademischen Malerei über Bord warfen, in Form und Farbe neue, die Natur abstrahierende Wege gingen und die Anleihen aussereuropäischer Kunst in ihre Werke aufnahmen.
Ein Musterbeispiel hierfür ist das 1906 entstandene grosse Gemälde «La Danse» von André Derain: Da breitet sich eine symbolisch aufgeladene Szenerie aus, die Anleihen aus Tempelfriesen in Kambodscha ebenso aufnimmt wie Kunst aus Ozeanien. Oder die poppige Strandszene «Affiche à Trouville» (1906) von Albert Marquet, die Kunstmuseumsdirektor Josef Helfenstein an der Medienführung von Donnerstag als Vorlauf der Pop Art bezeichnete.
Die Ausstellung «Matisse, Derain und ihre Freunde. Die Pariser Avantgarde 1904-1908» vereinigt über 160 Gemälde, Skulpturen und Keramiken von vielen bekannten, aber auch weniger berühmten Künstlerinnen und Künstlern der damaligen Zeit, die als Wegbereiter der Moderne den Übergang vom Impressionismus zum Kubismus prägten.
Die Besucherinnen und Besucher werden in einer chronologischen Abfolge durch die verschiedenen Etappen der Entwicklung geführt: Den Anfang macht die Schule Gustave Moreaus, die noch vom Neo- und Postimpressionismus geprägt ist.
Und im letzten Ausstellungsraum wird die internationale Ausstrahlung thematisiert. Künstler wie Wassily Kandinsky, Alexej von Jawlensky und die Mitglieder der deutschen Künstlervereinigung «die Brücke» schlugen, sich oftmals auf die «Fauves» berufend, ähnliche Wege ein.
Dazwischen breitet sich ein berauschendes Panoptikum an bestechenden Farbkombinationen und formalen Bildkompositionen aus. Gemein ist den Werken der wilde Pinselstrich, der die Emotionalität der Darstellung betont. Die Wahl der Motive allerdings ist sehr heterogen: Sie reicht von Landschaftsbildern über intime Porträts oder Akte bis zu wilden Szenerien des Nachtlebens und des Milieus der Prostitution.
Die Ausstellung «Matisse, Derain und ihre Freunde. Die Pariser Avantgarde 1904-1908» im Kunstmuseum Basel ist noch bis am 21. Januar 2024 zu sehen.
(SDA)