Wie uns der US-Präsident Trump einnebelt
Droge Donald

Wir können kaum von Donald Trump lassen. Nonstop serviert er Nonsens. Die Reize und Kicks nebeln uns ein.
Publiziert: 26.02.2017 um 17:03 Uhr
|
Aktualisiert: 28.09.2018 um 18:08 Uhr
1/2
Trumpf auf Wahlkampftour im vergangenen Mai in Carmel (Indiana).
Foto: Getty Images
Peter Hossli

Gereizt fragt der leitende Redaktor: «Wann lässt der Trump endlich wieder einen raus?»

Es ist Donnerstag und US-Präsident Donald Trump (70) hat seit drei Tagen nicht gepöbelt, nicht gerüpelt, nicht gelogen. Als sei er auf Entzug, vermisst der Kollege den täglichen Trump.

Ihm fehlt die Droge Donald.

Die Welt? High von Trump! Wobei der US-Präsident zugleich Dealer und Stoff ist. Zuverlässig und reichlich bedient er Süchtige – mit Lügen am Laufmeter, arroganten Aussagen, irren Ideen.

Wir saugen alles auf, ereifern uns am neusten Fix, spinnen benebelt weiter, was er spintisiert. Im Minutentakt sagt er Sachen, die andere Politiker längst das Amt gekostet hätten.

Trump verbreitet Nonsens nonstop

Wie letzte Woche, als er 77 Minuten lang vor die Medien trat. Er beleidigte jüdische Reporter. Er überhöhte sein Wahlresultat. Er schimpfte Journalisten als «Feinde des amerikanischen Volkes». Er missachtete den Kongress. Er erfand Terror in Schweden.

Nein, so verhält sich kein herkömmlicher US-Präsident. Deswegen gehen muss Trump aber nicht.

Es fehlt schlicht die Zeit, darüber eine ernsthaft Debatte zu führen. Weil ständig Neues kommt. Trump verbreitet Nonsens nonstop.

Wie hungrige Lemminge stürzt sich jeder drauf. Das hält Reporter und Leitartikler auf Trab, Moderatoren und Twitterer. Millionen teilten auf Facebook Tausende von Videos zur Schweden-Aussage. Sogar die schwedische Regierung äussert sich.

Trump fesselt, weil er aufregt

Zwar ist Trump nur US-Präsident. Und doch befeuert er weltweit Komiker, ihn zu verulken. Das Schweizer Fernsehen widmet ihm den «Club», die «Arena», reichlich Sendezeit in «10 vor 10», «Rundschau» und «Tagesschau». Die Quoten und Klicks bei Portalen belegen: Offenbar kriegt keiner genug vom Präsidenten mit oranger Haut und gelbem Haar.

Hierin liegt die Brillanz Trumps: Er weiss, alle wollen ihn sehen, hören, lesen. Weil er aufregt, packt, fesselt, nervt. Schon im Wahlkampf klebten sie am Fernseher, als er sprach.

Trump kennt sein Publikum. Er liefert ihm den kurzen Kick, den raschen Reiz – je bombastischer, desto wirksamer. All das tut er in atemberaubender Schnelligkeit, da die Spanne der Aufmerksamkeit minimal geworden ist. Entertainer-in-Chief, nicht Commander-in-Chief: Trump ist Chefunterhalter statt Oberbefehlshaber.

Ein Pionier ist er nicht. John F. Kennedy (1917–1963) zog 1961 ins Weisse Haus, weil er telegener wirkte als Richard Nixon (1913–1994). Ronald Reagan (1911–2004) sah die Politik als Filmset.

Trump aber verwirklicht die düstere Vision, die US-Soziologe Neil Postman (1931–2003) 1985 beschrieb. «Wir amüsieren uns zu Tode», hiess sein Buch.

Trump vermüllt die Umgebung, überfordert die Sinne

Der heutige Henker heisst Trump. Was System habe, leitartikelt die «New York Times»: Er lulle uns mit unendlich viel Empörendem ein, zwinge uns, auf so vieles zu reagieren, dass letztlich nichts an ihm haften bleibt.

Ganz anders sein Vorgänger. Der war nett und frei von Skandalen. Deshalb waren die Medien tagelang mit Barack Obama (55) beschäftigt, als er Soldaten mit einem Kaffee in der Hand salutierte. Hat bei Trump ein echter Skandal – die Verbindung zu Russen – nicht einmal richtig Fahrt aufgenommen, beginnt bereits der nächste. «Er vermüllt die Umgebung, überfordert die Sinne», so die «New York Times».

Wirkung zeigt er trotzdem, indem er Ängste schürt. Eine Mauer zu Mexiko; elf Million «Sans-Papiers» werde er des Landes verweisen; seine Soldaten sollen sie aufspüren, einsperren, ausschaffen.

Umsetzen kann Trump all das nicht. Mexikaner in Kalifornien, Texas und Arizona meiden aber Bars, gehen nicht mehr ins Kino. Statt in Angst vor der Deportation zu erstarren, verlassen sie die USA freiwillig.

Russen pilgern in Massen in die USA

Wochenlang hielt Trumps Einreisestopp gegen sieben muslimische Länder die Welt in Atem. Zwar hat ihn ein Gericht für verfassungswidrig erklärt. Aus Trumps Sicht ist er jedoch ein Erfolg. Um 17 Prozent ging die Nachfrage nach US-Reisen zurück. Bei den sieben betroffenen Staaten Iran, Irak, Libyen, Somalia, Sudan, Syrien und Jemen beträgt der Rückgang satte 33 Prozent.

Ein Staat ragt hingegen heraus: Fast verdoppelt – plus 88 Prozent – haben sich Buchungen aus Russland. Aus dem Reich also, dessen Präsident Wladimir Putin (64) der US-Amtskollege verehrt.

Dann macht Trump alles richtig? Zumindest verfrüht sind Rufe nach Amtsenthebung. Etwas müde wirken bereits Komiker, die den Präsidenten ständig auf die Schippe nehmen. Das Sperrfeuer aus dem Weissen Haus stumpft die Opposition ab. Keine der vielen Enthüllungen schadet dem Präsidenten.

Ob Trump 2020 erneut gewählt wird, hängt nicht von den Medien ab. Oder von Kabarettisten in Boston, Berlin und Buenos Aires. Es zählt nur, was seine Wähler im Mittleren Westen von ihm halten. Wissen wollen sie: Ist Trump wirklich der Messias, als den er sich ausgab?

Deshalb spricht er ihre Sprache. Er beschimpft Medien in New York und Washington, weil seine Wähler denken: Reporter in New York und Washington verstünden sie nicht.

Vermittelt ihnen Trump die Gewissheit, es ginge wieder aufwärts, bleibt er im Weissen Haus. Fällt er in Ohio und Michigan durch, muss er in vier Jahren ausziehen.

Dann hört ihm keiner mehr zu.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?