Für den exakten Wiederaufbau der abgebrannten Notre-Dame könnte es wichtige Hilfe aus New York geben. In den vergangenen Jahren hat Kunstprofessor Andrew Tallon das ganze Gebäude innen und aussen so präzise vermessen, wie es bisher noch niemand geschafft hatte.
Der in Belgien geborene Tallon bediente sich eines hochmodernen Laserscanners, den er an über 50 Orten innerhalb und ausserhalb des historischen Gotteshauses platzierte. Jedes Detail und jeder Abstand wurde mit einer Genauigkeit von fünf Millimetern erfasst.
Aber auch Fehler blieben nicht verborgen: So bestätigen die Resultate, dass die Westseite der Kathedrale ein «kompletter Bazar» ist. Damit meinte Tallon die Fehlausrichtung der Säulen sowie auch schräge Mauern. Tallon folgerte, dass die Baumeister eine jahrelange Pause einlegen mussten, weil sich der Boden und mit ihm die Mauern gesenkt hatten.
Professor versetzte sich in Köpfe der Baumeister
Den Brand vom Montagabend hat der Professor nicht mehr erlebt, weil er im November 2018 im Alter von 49 Jahren an einem Hirntumor gestorben ist. Seine Kollegen am Vassar College in New York haben aber mit grossem Engagement sein Erbe angetreten. Nur eine Woche vor dem Brand traf sich ein Team, um auf dem Computer aus den gewonnenen Daten ein plastisches Modell mit über einer Milliarde eingefärbten Punkten herzustellen.
Seine ehemalige Studentin Lindsay Cook, die nun selber in Vassar doziert, sagt über Tallon: «Er wollte sich in die Köpfe der damaligen Baumeister versetzen. Er suchte in den Laserscans nach Stellen, die nicht ganz im Lot waren und aus denen man die Handschrift des Architekten oder Maurers erraten konnte.»
Insgesamt hatte Tallon mit seinem hypermodernen Messgerät 45 historische Gebäude vermessen. Über seine Arbeit hat er Videos auf Youtube gepostet, darunter auch einen 360-Grad-Rundgang durch die Notre-Dame.
Enorme Datenmenge
Seine präzisen Messdaten könnten nun für den schnellen Wiederaufbau der Kathedrale Notre-Dame zugezogen werden. «Wenn die französischen Behörden es wünschen, würden wir alles zur Verfügung stehen», signalisiert Lindsay Cook.
Zur Übergabe der Unterlagen müsste sie allerdings persönlich nach Paris reisen: Für die Übermittlung per Internet sind die vielen Daten des Computermodells schlicht zu gross.