Vor vier Monaten stiessen ihn Parlamentarier von FPÖ und SPÖ vom Kanzler-Thron ins Elend. Seit Sonntagabend ist Sebastian Kurz (33) wieder zurück. Und wie! Bei den vorgezogenen österreichischen Neuwahlen belohnten die Wähler Kurz' ÖVP mit sensationellen 37 Prozent der Stimmen – sogar noch mehr, als Optimisten vorausgesagt hatten. Mit diesem glanzvollen Resultat bestehen kaum Zweifel daran, dass Kurz wieder zum Kanzler ernannt wird und eine Regierung bilden kann.
Erbärmlich abgestraft wurde hingegen die FPÖ, ehemalige Regierungspartnerin der ÖVP. Wegen Skandalen wie dem Ibiza-Video oder Parteispesen-Bezügen für private Ausgaben sackte sie auf 16 Prozent ab. Ein Neuaufbau scheint unumgänglich.
Die Wahlen von eröffnen auch neue Möglichkeiten für eine Regierungskoalition. Sprach man vor Sonntag noch von ÖVP-Partnerschaften mit SPÖ oder FPÖ und einem Trio mit den Grünen und den liberalen Neos, steigen nun die Chancen für eine Zweierkoalition allein mit den Grünen enorm. Denn die Umweltpartei hat ein ebenfalls sensationelles Comeback gegeben: War sie 2017 wegen zu geringer Stimmenzahl aus dem Parlament geflogen, holte sie nun rund 14 Prozent der Stimmen. Zusammen mit der ÖVP ergäbe das eine Mehrheit von 51 Prozent.
Alle diese Zahlen sind noch nicht auf die Kommastelle genau berechnet. Die Auszählung der Wahlzettel wird erst heute Montag beendet. Auch will sich noch keiner der Wahlsieger konkret zu einer möglichen Koalition äussern.
Sebastian Kurz sagte, nachdem er an der Wahlfeier seiner Partei mit «Kanzler Kurz, Kanzler Kurz» empfangen worden war: «Wir werden mit allen im Parlament vertretenen Parteien Gespräche führen und uns bemühen, möglichst respektvoll zusammenzuarbeiten und das Bestmögliche für Österreich herauszuholen.» Er bedauerte, dass die vergangenen Monate durch den Parteienstreit dominiert wurden. Und versprach: «Wir wollen unsere Energie nun wieder voll für unsere Republik einsetzen.»
Bei den Grünen herrschte «Sunday for Future», ganz nach dem Motto «Fridays for Future» der Klimastreiks. Einer Regierungsbeteiligung sind sie nicht abgeneigt, allerdings werden sie sich so teuer wie möglich verkaufen und möglichst viele Zugeständnisse holen wollen. Wahlkampfleiter Thimo Fiesel machte deutlich: «Wir sind nicht bereit, den bisherigen Kurs von Kurz weiterzutragen. Nun ist Kurz am Zug, um uns zu zeigen, welchen Weg er gehen möchte.»
Sebastian Kurz' Aufstieg begann 2015, als er als damaliger Aussenminister die Zuwanderung kritisierte und Massnahmen ergriff. Im Dezember 2017 wurde er Kanzler, im Mai 2019 wurde er per Misstrauensvotum abgewählt, nachdem ein heimlich aufgezeichnetes Video mit FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (50) aufgetaucht war und eine Regierungskrise ausgelöst hatte.
Diese Krise hat, wie das Wahlresultat zeigt, Kurz aber mehr genützt als geschadet. Mit Zugeständnissen gegenüber den Grünen könnte er sein Image über Partei- und Landesgrenzen hinweg sogar noch weiter aufpolieren.