War das etwa die Idee des Arabischen Frühlings? In Tunesien haben diese Woche tatsächlich Frauen dafür demonstriert, dass Männer wieder gleichzeitig mehrere Frauen heiraten dürfen!
Hinter den Frauen-Protesten steht ein Mann. Fethi Zghal, Gründer des Forums «Freiheit und Bürgerschaft», begründet seine krude Forderung so:
- Eine Mehrfrauen-Ehe käme den immer zahlreicher werdenden Single-Frauen entgegen. Zghal sagt in tunesischen Medien: «Die Hoffnung, heiraten zu können, liegt bei Tunesierinnen nur gerade bei 13 Prozent.»
- Die Anzahl Scheidungen ginge zurück. Zghal klagt: «Tunesien steht bei der Scheidungsrate weltweit an vierter Stelle. Heute lassen sich täglich 41 Paare scheiden.»
- Die Monogamie fördert in den Augen Zghals den Ehebruch.
Viele hauen ab, viele sind zu arm
Die geplanten Proteste sorgen in der westlichen Welt für Kopfschütteln. Doch hinter der Forderung verbirgt sich ein grosses Problem, mit dem Tunesien heute zu kämpfen hat.
Amor Ben Hamida (60), der 1970 aus Tunesien in die Schweiz kam und heute als Autor und Sprachcoach arbeitet, erklärt BLICK: «In Tunesien gibt es tatsächlich zu viele Frauen, die keinen Mann finden. Viele Männer verlassen das Land, und viele von jenen, die bleiben, können sich eine Hochzeit gar nicht mehr leisten.» Ein Mann muss in Tunesien für die Hochzeit über 3000 Franken hinblättern, was etwa einem Jahresgehalt entspricht.
Die Polygamie wurde ungefähr 620 nach Christus eingeführt, als viele Männer in zahlreichen Kriegen ums Leben kamen. «Frauen, die keinen Mann hatten, konnten damals nicht überleben», sagt Ben Hamida. Im Jahr 1956 hat Tunesien sie dann als erstes islamisches Land abgeschafft und die Monogamie eingeführt.
«Lächerliche Forderung»
Amor Ben Hamida glaubt jedoch nicht, dass die Demo viele Frauen mobilisiert. Ben Hamida: «Erst vor drei Monaten haben Frauen dafür demonstriert, dass sie beim Erben den Männern gleichgestellt werden. Da werden sie jetzt kaum für einen Rückschritt in die Vergangenheit auf die Strasse gehen.»
Für ihn ist auch klar, dass die Wiedereinführung der Polygamie in Tunesien null Chancen hat. «Die Forderung ist lächerlich. Niemand denkt ernsthaft daran.» Auch auf sozialen Medien äussern sich Gegnerinnen der Polygamie. Eine Frau schreibt: «Ich teile nicht mal mein Sandwich, geschweige denn meinen Mann.»
Wie kann aber das Problem mit dem Frauen-Überschuss gelöst werden? Tunesien-Kenner Ben Hamida: «Das Problem bleibt bestehen, solange die Migration anhält.»