Blutige Schlacht in der letzten Diktatur Europas
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Blut und Tränengas in Belarus:Wahlfarce treibt Zehntausende auf die Strassen

Verdacht auf Wahlmanipulation – Herausforderin untergetaucht – Internet abgestellt
Blutige Schlacht in der letzten Diktatur Europas

Die Lage in Belarus eskaliert. Nach der Präsidentschaftswahl haben in der Nacht auf heute gegen 100'000 Menschen gegen den letzten Diktator Europas demonstriert. Es riecht verdächtig nach Wahlbetrug.
Publiziert: 10.08.2020 um 14:16 Uhr
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Aktualisiert: 12.08.2020 um 18:35 Uhr
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Keine Kritik erwünscht: Polizisten nehmen einen Demonstranten fest.
Foto: AFP

Nur 1500 Kilometer von der Schweiz entfernt wird gerade die Demokratie mit Füssen getreten. Mit Blendgranaten, Gummigeschossen und Wasserwerfern ging die Polizei nach der Präsidentschaftswahl vom Sonntag gegen Demonstranten in Belarus vor, die Machthaber Alexander Lukaschenko (65) Wahlbetrug vorwerfen.

Laut der staatlichen Wahlkommission hat Lukaschenko 80,23 Prozent der Stimmen auf sich vereinen können, seine Herausforderin Swetlana Tichanowskaja (37) soll auf lediglich 9,9 Prozent gekommen sein.

Diese Werte werden aber angezweifelt: Einzelne örtliche Wahlkommissionen haben am Sonntagabend Ergebnisse gemeldet, nach denen der amtierende Staatschef eine haushohe Niederlage eingefahren hat. Laut den lokalen Wahlkommissionen habe seine Herausforderin Swetlana Tichanowskaja (37) 80 bis 90 Prozent der Stimmen erreicht.

Blutige Schlacht

Beobachter reden von gegen 100’000 Demonstranten, die in der Nacht auf Montag auf die Strasse gingen. Es kam zu blutigen Szenen: Polizisten prügelten auf Demonstranten ein, die widerum Beamte angriffen, um sich einer Verhaftung zu entziehen. Um die Demonstranten einzuschüchtern, trommelten die Polizisten martialisch auf ihre Schutzschilde.

Offenbar forderten die Krawalle auch ein Todesopfer. Laut Aktivistengruppe Spring 96 wurde ein Mann von einem Gefangenentransporter der Polizei umgefahren. Er habe eine schwere Kopfverletzung erlitten, berichtete die Menschenrechtsorganisation Viasna. Bilder zeigen, wie auch andere Demonstranten, die sich in den Weg stellten, von Polizeifahrzeugen gerammt wurden.

Das mobile Internet wurde ausgeschaltet, wohl um die Demonstranten zu schwächen. Die aber brachten ihre Handys zum Leuchten und marschierten durch die Strassen von Minsk. Es sind Fackeln der Freiheit, für die sie seit 26 Jahren, in denen Lukaschenko an der Macht ist, kämpfen. Dazu sangen sie die russische Version eines Liedes der polnischen Demokratiebewegung aus den 1980er-Jahren: «Lass uns dieses Gefängnis zerstören, diese Mauern sollen hier nicht stehen, sie sollen einstürzen, einstürzen, einstürzen!»

Laut der Menschenrechtsorganisation Wesna sind im ganzen Land 120 Personen festgenommen worden. Solche Proteste hat die ehemalige Sowjetrepublik Belarus, auch Weissrussland genannt, noch nie erlebt.

Herausforderin kämpft weiter

Swetlana Tichanowskaja erkannt ihre angebliche Niederlage nicht an. «Das ist fern jeder Realität», sagte die ehemalige Lehrerin, die sich als Bürgerrechtlerin engagiert.

Sie rief in der Nacht auf Montag die Sicherheitskräfte zum Gewaltverzicht auf. «Ich möchte Polizei und Militär daran erinnern, dass sie Teil des Volkes sind», sagte sie. An die Demonstranten appellierte sie, Provokationen zu unterlassen. «Ich weiss, dass die Menschen in Belarus morgen in einem neuen Land aufwachen werden.»

Aus Angst untergetaucht

Am Sonntagabend war Tichanowskaja untergetaucht, nachdem ihre Wahlkampfleiterin Maria Moros und die führende Oppositionsvertreterin Maria Kolesnikowa verhaftet worden waren. Der Grund für die Festnahmen ist unklar, die Polizei sprach bei Kolesnikowa von einer «Verwechslung». Tichanowskaja soll sich laut der Agentur Interfax in Minsk aufhalten, jedoch an einem unbekannten Ort und umgeben von Mitarbeitern und Journalisten.

Lukaschenko gilt wegen seiner Alleinherrschaft als der letzte Diktator Europas. Er hatte im Vorfeld der Wahl mit dem Einsatz von Militär gedroht, um seine Macht erhalten zu können.

Tichanowskaja kandidierte an Stelle ihres Gatten Sergej Tichanowski (41), der wegen seiner regierungskritischen Blogs im Gefängnis sitzt. Die Philologin und Mutter zweier kleiner Kinder, die bisher nichts mit Politik zu tun hatte, verspricht, bei einem Sieg alle politischen Gefangenen freizulassen und Neuwahlen anzusetzen. (gf)

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