Nach Angaben des Wahlamtes haben 5,8 Millionen der 20,5 Millionen Wahlberechtigten im Land für Maduro gestimmt. Das sind zwar weit weniger, als die zwölf Millionen Stimmen, die der Präsident zuletzt von seinen Anhängern gefordert hatte. Für einen sicheren Sieg gegen chancenlose Konkurrenten reicht es aber immer noch locker.
Mit markigen Worten hatte Maduro die Venezolaner zu den Urnen gerufen. Für den ehemaligen Busfahrer und Nachfolger des in Venezuela bis heute verehrten Hugo Chávez geht es stets ums grosse Ganze. Alles stehe auf dem Spiel, «Vaterland oder Kolonie, Frieden oder Gewalt», sagt der sozialistische Präsident, als er am Sonntag kurz nach Öffnung der Wahllokale um 6:00 Uhr in der Früh seine Stimme abgibt.
Totale Kontrolle
Bei seiner Wiederwahl überliess Maduro nichts dem Zufall: Er kontrolliert alle staatlichen Institutionen und hat das von der Opposition beherrschte Parlament entmachtet. Viele Oppositionelle sitzen in Haft, wurden von der Wahl ausgeschlossen oder sind ins Ausland geflohen. Das wichtigste Oppositionsbündnis MUD rechnete mit Wahlbetrug und boykottierte die Wahl. Nach Einschätzung der Regierungsgegner lag die Wahlbeteiligung bei nicht mal 30 Prozent.
«Ich wähle nicht, weil ich kein Vertrauen in das Wahlamt habe. Es wird Betrug geben», sagt Janet Borges aus der Oppositionshochburg Chacao. Für wen würde die 47-Jährige stimmen, wenn auch die grossen Oppositionsführer zur Wahl zugelassen wären? «Ich würde natürlich Leopoldo López wählen.»
«Das ist keine Wahl»
Der frühere Bürgermeister von Chacao sitzt wegen Anstachelung zur Gewalt bei Protesten gegen die Regierung seit Jahren in Haft. «Das ist keine Wahl», sagt seine Ehefrau Lilian Tintori. Auch der einflussreiche Oppositionsführer Henrique Capriles darf bei der Wahl nicht antreten. Maduros drei Gegenkandidaten Henri Falcón, Javier Bertucci und Reinaldo Quijada stammen aus der zweiten Reihe und galten von vornherein als chancenlos.
María Justo wohnt in Petare, einem der grössten Slums Südamerikas. Das Armenviertel am Rande der Hauptstadt Caracas galt stets als Bastion der Chavisten, aber angesichts der Krise verlieren auch die Menschen dort langsam die Geduld mit Maduros sozialistischer Regierung. «Ich bin wählen gegangen, damit dieser Herr verschwindet», sagt Justo. «So können wir nicht weitermachen.»
Förderung der Armen
Auch wenn viele Menschen mit der Lage unzufrieden sind, verfügt Maduro noch immer über eine treue Anhängerschaft. Viele Armen haben unter Chávez erstmals Wertschätzung erfahren, haben Wohnungen und subventionierte Lebensmittelpakete erhalten, konnten zur Schule und Universität gehen.
«Dieses Volk leidet Hunger, aber es bleibt loyal», sagt Fernando Carvajal aus dem Viertel 23 de Enero im Zentrum von Caracas. Für die Wirtschaftskrise macht der 61-jährige Händler eine Verschwörung des Auslands verantwortlich. «Das ist ein Krieg vieler Länder, die uns blockieren wollen. Das ist die internationale Ultrarechte.»
Im Katastrophenmodus
Venezuela ist ein Land im Katastrophenmodus: In den Supermärkten bleiben die Regale leer, in den Krankenhäusern sterben Kinder, weil es keine Medikamente gibt. Gewalt und Kriminalität sind völlig ausser Kontrolle. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet mit sagenhaften 13 800 Prozent Inflation im laufenden Jahr, die Wirtschaftskraft dürfte um rund 15 Prozent einbrechen.
Es deutet wenig darauf hin, dass sich die Lage nach dem neuerlichen Wahlsieg von Maduro nun verbessern wird. Zahlreiche Länder in der Region, die USA und die EU haben bereits angekündigt, das Ergebnis nicht anzuerkennen. «Die Regierung wird sich weiter radikalisieren», befürchtet der Analyst Félix Seijas.
Schwere Wirtschaftskrise
Der Politikwissenschaftler Luis Salamanca sagt angesichts der schweren Wirtschaftskrise und der Hyperinflation: «Das Land ist unregierbar.» Ausländische Hilfe zur Bewältigung der humanitären Krise lehnt Maduro ab. Über Finanzhilfen des IWF will er auch nicht verhandeln.
Zunächst wird der Präsident wohl etwas Kosmetik betreiben: Anfang Juni will er bei der Landeswährung Bolívar drei Nullen streichen. Dann wird für eine Tasse Kaffee vielleicht nicht mehr gleich ein Millionenbetrag fällig. An den grundlegenden Problemen des einst reichen Landes ändert die Zahlenakrobatik freilich nichts. (SDA)