Mit einem solchen Aufmarsch rechnete niemand: Über 60'000 Menschen kamen gestern nach Chemnitz. Ihre Botschaft: «Wir sind mehr!» Grund für diese riesigen Demonstrationen sind die Ausschreitungen von Rechtsextremen nach der tödlichen Attacke auf Daniel H. (†35) durch zwei mutmasslich irakische und syrische Täter.
Kommen wollten noch mehr. Als deutsche Top-Bands wie die Toten Hosen, Kraftklub, Feine Sahne Fischfilet und K.I.Z. auf der Bühne sind, sitzen noch Tausende an Bahnhöfen in Leipzig und Dresden fest. Die Züge sind rappelvoll. Es sind nicht nur Linke, die gegen Rechtsextreme protestieren. Viele Familien wollen gegen Gewalt generell demonstrieren.
Dabei ist allen klar: Man feiert nicht nur. Das betonen die drei Jugendlichen Paul (18), Jann-Luca (20) und Jonathan (19) aus Siegen (D). Im Chor sagen sie: «Wir wollen ein Zeichen gegen rechts setzen.» Auch die Einheimischen Heike D. (55) und ihr Partner betonen: «Wir dürfen nicht auf dem Sofa sitzen bei all dem, was grad passiert. Es gibt in Sachsen auch Leute, die für Demokratie statt Gewalt einstehen.»
Ein klares Zeichen setzen
Doch die Stadt ist gespalten. Wenige Meter neben der Bühne fand eine tödliche Messerattacke statt. Die Konzertbesucher sammeln Tausende von Euros für die Angehörigen des getöteten Daniel H. und gedenken in einer Trauerminute an ihn. Gleichzeitig skandieren Rechtsextreme, die sich um den Tatort versammelt haben, «Ausländer raus»-Parolen.
Diese Zerrissenheit macht auch Carina Oelschlägel (50), die mit ihrer Tochter Polina (10) dabei ist, grosse Angst,: «Meine Kleinste bemerkt ja, was in der Stadt passiert. Zusammen wollen wir ein Zeichen setzen.» Auch Sven Zenner (50), der laut eigener Aussage nicht viel mit Politik am Hut hat, sagt zu BLICK: «Die Musik hier ist ja nicht ganz meine. Doch mit ihrem Protest gegen Rechtsextremismus haben die Demonstranten recht.»