Über 150'000 Neuinfektionen pro Tag! Häftlinge müssen Leichen transportieren!
USA rasen weiter ungebremst ins Corona-Chaos

Trump will nicht, Biden kann nicht: Die USA leiden unter dem Macht-Limbo an der Landesspitze. Die Neuinfektionen steigen dramatisch – noch sind sie allerdings niedriger als in der Schweiz.
Publiziert: 16.11.2020 um 12:19 Uhr
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Aktualisiert: 16.11.2020 um 16:22 Uhr
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Teilweise müssen Häftlinge bei der Verlegung von Leichen helfen.
Foto: AFP
Fabienne Kinzelmann

Corona-Fälle: plus 81 Prozent. Tote: plus 39 Prozent. Hospitalisierungen: plus 44 Prozent. Und das alles innerhalb von zwei Wochen.

Die Corona-Situation in den USA hat sich dramatisch verschlimmert. Mehr als 150'000 Neuinfektionen verzeichnen die Vereinigten Staaten aktuell pro Tag (7-Tage-Schnitt) – Tendenz: stark steigend.

In nur noch einem Teil sind die Zahlen niedrig und bleiben es auch: auf den Amerikanischen Jungferninseln zwischen dem Atlantik und der Karibik.

Schon pünktlich zur Präsidentschaftswahl war das Land im Griff der 3. Welle. Zwei Wochen später erreichen die USA ein neues Ausmass der Corona-Krise. Die Spitäler sind schon jetzt in vielen Landesteilen am Limit. Wie die «New York Post» berichtet, müssen etwa in Texas schon Häftlinge bei der Bewältigung der Krise helfen: Die Gefängnis-Insassen werden im County El Paso zum Transport von Leichen eingesetzt.

Und es sieht nicht so aus, als würde sich daran so schnell etwas ändern. Denn: Trump ist tatlos, Biden machtlos. Die USA rasen weiter ungebremst ins Corona-Chaos.

Trump hofft auf Impfung, Biden auf Wissenschaft

«Mit dieser Regierung wird es keinen Lockdown geben», betonte Donald Trump (74) bei einer Pressekonferenz am Freitag im Rosengarten des Weissen Hauses. Er setzt voll auf die Corona-Impfung.

Nach dem Durchbruch von Pfizer und Biontech will Trump bereits im Dezember rund 20 Millionen Menschen impfen. Dafür muss der Impfstoff allerdings noch die Notfallzulassung der Lebens- und Arzneimittelbehörde FDA bekommen. Und auch dann ist unklar, wie viele Menschen sich freiwillig impfen lassen, wie die Verteilung logistisch funktioniert und wie schnell der Effekt eintritt.

Der Biontech-Chef selbst rechnet in der Corona-Krise erst im Winter 2021 mit einer Rückkehr zum normalen Leben. «Absolut essenziell», um dieses Ziel zu erreichen, sei eine hohe Impfquote gegen das Coronavirus bis zum Herbst, sagte Ugur Sahin am Sonntag in einem BBC-Interview.

Während die USA unter der Corona-Krise ächzen, macht sich der künftige US-Präsident Joe Biden (77) bereit. Er hat Corona bereits zum Schwerpunkt seiner Amtszeit erklärt. Unmittelbar nach seinem Wahlsieg hat er einen Plan zur Bekämpfung vorgestellt. Kernelement: Er will auf Wissenschaftler hören. Die Experten sollen im Zweifelsfall auch Entscheidungen treffen.

Die Strategie von Biden und seiner Vizepräsidentin Kamala Harris (56) setzt vor allem auf klare Leitlinien, Contact Tracing und einen Ausbau der Teststrategie. Auch ein Lockdown ist nicht ausgeschlossen. Während einige seiner Berater mit vier- bis sechswöchigen zumindest lokalen Lockdowns liebäugeln, hat sich Biden selbst zu dem explosiven Thema allerdings noch nicht klar positioniert.

Wie sind die Zahlen im Vergleich mit der Schweiz?

In Bidens frisch aufgestelltem Expertenrat sind namhafte Experten und Beamte vertreten. Einer allerdings fehlt: US-Chefvirologe Anthony Fauci (79) will bis Amtsübergabe weiter für die Trump-Regierung arbeiten – wohl eher zur Schadensbegrenzung denn aus Überzeugung. Denn bis zum 20. Januar hat Biden ohnehin nur begrenzt Spielraum.

Die nächsten zehn Wochen dürften entsprechend heftig für die USA werden. An ein frohes Weihnachtsfest ist nirgends im Land zu denken. Und vor dem Supreme Court läuft aktuell noch die nächste Runde im Kampf der Republikaner gegen Obamacare – haben sie Erfolg, könnten Millionen Menschen ausgerechnet in der Pandemie ihre Gesundheitsversicherung verlieren.

Während die schlechte Gesundheitsversorgung in vielen Landesteilen und Bevölkerungsschichten die Corona-Situation in den USA verschärft, zeigt der Blick auf die Zahlen allerdings auch: Im Verhältnis zur Schweiz sehen die Zahlen auf dem Papier gar nicht so schlimm aus.

Bis Bidens Amtsantritt könnten es fast 3 Millionen sein

Die Schweiz schaut sich für die Risiko-Beurteilung aktuell die Neuansteckungen pro 100'000 Personen in den letzten 14 Tagen an. Wenn diese Inzidenz eines Landes um mindestens 60 höher ist als die Inzidenz in der Schweiz, kommt das Land auf die Liste.

Angesichts der hohen Fallzahlen in der Schweiz und Liechtenstein würde das bedeuten: Ab 653 Fälle pro 100'000 Einwohnern müssten Reisende aus den USA in der Schweiz in Quarantäne. Aktuell liegen die Fälle nur bei 45 Fällen pro 100'000.

Allerdings: In der Schweiz sinken die Fälle aktuell wieder. Geht der exponentielle Trend in den USA hingegen ungebremst weiter, wären es in zwei Wochen dort mindestens 81 Fälle auf 100'000 Einwohner. In vier Wochen 147. Zwei Wochen darauf 266. Dann 481. Und bis Bidens Amtsantritt 871. Das wären dann insgesamt rund 2,86 Millionen Corona-Neuinfektionen – pro Tag.

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