Tyrann Morales hat in Mexiko Asyl erhalten
Interimspräsidentin will Bolivien neu aufbauen

Boliviens geschasster Präsident Evo Morales hat in Mexiko Asyl erhalten. Er droht mit der Rückkehr. Inzwischen hat sich Jeanine Áñez zur Interimspräsidentin erklärt und Neuwahlen angekündigt.
Publiziert: 12.11.2019 um 15:38 Uhr
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Aktualisiert: 01.09.2020 um 15:35 Uhr
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Evo Morales mit der mexikanischen Flagge auf dem Flug in seine Asyl-Heimat. Dieses Bild hat der mexikanische Aussenminister veröffentlicht.
Foto: keystone-sda.ch
Guido Felder

Bolivien steht vor einem Neubeginn. Mexikos Regierung hat dem tyrannischen Ex-Präsidenten Evo Morales (60) Asyl geboten und ihn gleich mit einer Militärmaschine in Boliviens Hauptstadt La Paz abgeholt. Der mexikanische Aussenminister Marcelo Ebrard (60) begründete die Evakuierung damit, dass Morales’ Leben bedroht gewesen sei.

Ebrard postete ein Bild, das Morales im Flugzeug sitzend mit der mexikanischen Flagge zeigt, und schrieb: «Im Einklang mit internationalen Konventionen steht er nun unter mexikanischem Schutz. Sein Leben und seine Unversehrtheit wurden gerettet.»

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Er schlief wie ein Arbeiter

Die erste Nacht nach seinem Rücktritt verbrachte Morales offenbar in einem einfachen Haus in seiner Hochburg Cochabamba. Er veröffentlichte auf Twitter ein Foto, das ihn auf einer Wolldecke auf dem Boden eines schmucklosen Zimmers zeigt. «Das erinnerte mich an meine Zeiten als Gewerkschaftsführer», schrieb er dazu. Augenzeugen berichteten, dass Morales vor seiner Ausreise noch die Nationalbank geplündert habe.

Morales erhält Unterstützung von prominenter Seite. Der ehemalige argentinische Star-Fussballer Diego Maradona (59) schrieb auf Twitter: «Ich bedauere den inszenierten Putsch in Bolivien. Besonders für das bolivianische Volk und für Evo Morales, einen feinen Menschen, der sich immer für die Armen eingesetzt hat.»

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Der gestürzte Präsident selber jammerte auf Twitter: «Schwestern und Brüder, ich breche nach Mexiko auf. Es schmerzt mich, das Land aus politischen Gründen zu verlassen, aber ich werde mich immer um es kümmern.» Und er drohte: «Bald komme ich mit mehr Kraft und Energie zurück.»

Übergangspräsidentin lädt zur Krisensitzung

Soweit wollen es aber die meisten Bolivianer nicht kommen lassen. Die Oppositionspolitikerin Jeanine Áñez (52), zweite Vizepräsidentin des Senats, hat sich selber zur Übergangspräsidentin erklärt und Neuwahlen angekündigt. Áñez hat Jus studiert und arbeitete früher als Mediendirektorin bei Totalvision. Seit 2010 sitzt sie als Vertreterin des Departements Beni im Senat. Am Dienstag will sie eine Krisensitzung einberufen und offiziell den Rücktritt von Morales verkünden.

Aufgebrachte Anhänger des früheren Präsidenten plünderten nach Morales’ Flucht Geschäfte, errichteten Barrikaden und legten Feuer. Im Regierungssitz La Paz und der Schwesternstadt El Alto wurden bei gewalttätigen Zusammenstössen mindestens 20 Menschen verletzt.

Der bei den jüngsten Wahlen unterlegene Präsidentschaftskandidat Carlos Mesa (66) schrieb auf Twitter: «Viele Leute warnen mich, dass ein Mob zu meinem Haus zieht, um es zu zerstören. Ich bitte die Polizei, das zu unterbinden.» Auch Morales selber beklagte, dass seine Häuser in La Paz und in Cochabamba von Anhängern der Opposition angegriffen worden seien.

Chaos und Zerstörung

Morales hatte am Sonntag angesichts von wochenlangen Massenprotesten sowie des fehlenden Rückhalts von Polizei und Armee seinen Rücktritt erklärt. Danach strömten in der Hauptstadt La Paz Tausende Menschen auf die Strassen, schwenkten die bolivianische Fahne und feierten seinen Abgang mit Böllern. Zugleich demonstrierten Anhänger von Morales und forderten den Verbleib des linken Politikers an der Spitze des Staats.

In der Nacht zum Montag dann eskalierte die Situation: Es kam vor allem in La Paz zu Ausschreitungen, gewaltsamen Auseinandersetzungen und Plünderungen. Wie örtliche Medien berichteten, wurden in La Paz sowie im nahe gelegenen El Alto unter anderem Busse sowie die Häuser mehrerer prominenter Gegner des linksgerichteten Ex-Staatschefs in Brand gesetzt. In verschiedenen Regionen des Landes gingen Polizeiwachen in Flammen auf. Bisher wurden drei Menschen getötet und über 250 verletzt.

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